Zeit für die Puntarelle
Ich habe mich in die Puntarelle ganz klischeehaft in Rom verliebt, bei einem Abendessen zu Zweit (die Puntarelle nicht mitgezählt) im Piperno, einem wunderbar altmodischen Lokal im jüdischen Viertel. Sie wird dort wie an zahllosen anderen Orten der Stadt als roher Salat serviert, mit einem simplen Dressing aus Olivenöl, Essig, einem Hauch Knoblauch und nicht zu wenig Sardellen.
Die Mischung kann berauschend sein: die bittere Frische des Gemüses, die saure Zitrone und der kräftige Fisch gehören zu den besseren Geschmacksakkorden, die der Winter zu bieten hat. Außerdem hat sie, wenn sie frisch ist, eine fantastisch knackige Konsistenz, die ein Erlebnis für sich ist.
Die Sardellen dürfen ruhig etwas mehr zerdrückt sein. Ich hab in diesem konkreten Fall recht edle mit fester Konsistenz benutzt, weil ich keine Salat-Sardellen zur Hand hatte.
Während Puntarelle in Rom an jedem Gemüsestand verkauft werden, sind sie außerhalb der Stadt in Italien (zumindest im Süden) gar nicht so leicht zu finden, weil jede italienische Region ihr eigenes, jeweils dort geliebtes Bittergemüse hat. In Wien sind sie mitunter leichter zu bekommen als in Neapel, wo die Friarielli regieren.1
Derzeit gibt es sie etwa am Karmelitermarkt an den regulären Ständen und Samstag am italienischen Biogemüsestand (ganz hinten beim Müllraum, leicht an der langen Schlange an Menschen zu erkennen), und wenn der Robert Brodnjak demnächst wieder auf den Markt zurück kommt, hat er wahrscheinlich heimische Puntarelle dabei.
Die Puntarelle sehen zunächst aus wie ein ins Kraut geschossener Löwenzahn, allerdings werden nicht ihre äußeren, langen Blätter gegessen, sondern die innen liegenden, verdickten Triebe. Sie sehen prächtig seltsam aus, ein wenig aus wie diabolisch grün züngelnder Spargel, und machen die Puntarelle zum potenziellen Instagram-Star.
Wenn Sie Puntarelle kaufen, schauen Sie daher immer in die Mitte zwischen die Blätter und stellen sicher, dass da auch genug Stangen sitzen, damit sich der Kauf lohnt (auf Wiener Märkten gibt es mitunter eine gewisse Tendenz, italienische Ausschussware anzubieten, etwa fast aufgeblühte Artischocken oder fast herzlose Puntarelle). Vor dem Verzehr entfernen Sie dann die äußeren Blätter und konzentrieren sich ganz aufs Wesentliche.
Puntarelle, fast klassisch
Die Triebe einer Puntarelle (oder einer halben, je nach Größe)
Ordentlich Olivenöl
1/2 Knoblauchzehe, geschält
2-3 Sardellenfilets, nicht zu edel, weils dann schad um sie wäre, aber auch nicht ganz billig, weils sonst schad um die Puntarelle ist.
Zitronensaft (italienische Rezepte tendieren zu Essig, aber mir ist Zitrus lieber)
Salz, Pfeffer
Etwa eine Stunde, bevor Sie ihre Puntarelle genießen wollen, trennen Sie die Triebe vom Strunk und schneiden sie längs in etwas mehr als streichholzdicke Streifen. Falls sie besonders lang sind, können Sie sie auch einmal quer halbieren. Bedecken Sie sie mit eiskaltem Wasser und stellen Sie die Schüssel für eine Stunde in den Kühlschrank. Das verbessert die Konsistenz und bändigt etwaige überschießende Bitterkeit.
Kurz vor dem Genuss geben Sie nicht zu knapp Olivenöl in eine kleine Schüssel, reiben ein ganz klein wenig Knoblauch hinein, lassen die Pfeffermühle darüber ordentlich schroten und zerdrücken zwei, noch besser drei Sardellenfilets im Öl. Das Ergebnis sollte eine flüssig-bröckelige Paste sein. Bei Lust und Laune darf noch ein Hauch Chilipulver dazu.
Nun holen Sie die Puntarelle aus dem Eis, gießen Sie ab und schütteln sie trocken oder tupfen sie mit Küchenrolle etwas ab. Pressen Sie eine Zitrone aus, mixen den Saft ins Sardellenöl, und gießen alles über die Puntarelle-Streifen. Einmal durchmischen und als Vorspeise oder zu Gegrilltem genießen.
Das ist umso bemerkenswerter, als eine der klassischen Anbaugebiete der Puntarelle um Gaeta liegt, was wiederum traditionell zu Campanien gehört, auch wenn es heute politisch in Lazio liegt.