Ich glaube, einer der Gründe, warum das Essen in Italien so gut ist, ist der Respekt vor altem Bauernessen, der sich dort gehalten hat.1
Italienische Köchinnen (es sind meistens Frauen), vor allem am Land, schmoren mit Leidenschaft Bohnenpüree mit Zichorien, rühren Polenta, köcheln stundenlang simple Suppen, oder rollen diverse Pastaformen von Hand. Im Unterschied zur schlechten alten Zeit tun sie das nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Mit mehr Muße, Hingabe, Fokus und qualitativ deutlich besseren Zutaten. Weil keiner mehr verhungern muss, können sie sich statt auf die Menge und die Kosten auf den guten Geschmack konzentrieren.
Die Speisen sind einfach genug, um über Jahre perfektioniert werden zu können, und aus Zutaten gemacht, die günstig genug sind, um auch im Lokal in höchster Qualität eingekauft werden zu können. Das Ergebnis ist nichts für Fine Dining, und selten ein lebensveränderndes Geschmackserlebnis, aber oft liebevoll zubereitetes Wohlfühlessen.
Ich glaube, es gäbe da auch in Österreich großes Potenzial, und die Gegend um den Weissensee, das Grenzland zwischen Kärnten und Italien, ist dafür ein gutes Beispiel. Ich habe vergangenen Sommer mehrere Wochen dort verbracht, für die Recherche für mein neues Buch “Wie schmeckt der Weissensee?” (Ja, der Witz ist Absicht).
Es gibt hier all die alpinen Klassiker wie sattgelbe Almbutter und würziger Glundner von den Almen, süße Kletzenbirnen von alten Streuobstwiesen, cremige Plentn (kärntnerisch für Polenta) aus weißem Mais oder den ganzen Winter lang gereifter Speck mit Roggenbrot aus dem Holzofen.
Weil die Gegend aber ein Grenzland ist, kommen zahlreiche Einflüsse aus und Gemeinsamkeiten mit dem südlichen Nachbarn, Italien, hinzu: die Kärntner Nudeln etwa, die Ravioli der Alpen, der wilde Bergradicchio, den die Bauern auf beiden Seiten der Grenze im Frühling nach der ersten Schneeschmelze sammeln und einlegen, oder der Schotten, eine Art rauchiger Ricotta, die noch auf einigen Gailtaler Almen gekocht wird.
Vergangenes Wochenende ist “Wie schmeckt der Weissensee?” nun erschienen. Es ist ein kulinarisches Portrait einer Region, mit 30 Produkt- und Produzentenportraits und 30 dazu passenden Rezepten, ganz ähnlich wie der Vorgänger “Wie schmeckt das Burgenland?”. Die zahlreichen Fotos stammen wieder von Inge Prader, Herausgeber und kulinarisches Mastermind ist diesmal Kärntens ziemlich sicher bester Koch, Hannes Müller von der Forelle. Und auch wenn der Weissensee im Titel steht, ist vieles für auch für andere Seen und Täler gültig. Falls wer diesen Sommer nach Kärnten auf Urlaub fährt: ich glaube, es gibt viel schlechtere kulinarische Führer.
Wie schmeckt der Weissensee? Portrait einer Region kostet 49 Euro und kann im ausgewählten Buchhandel oder, für uns am besten, direkt in der Forelle bei Hannes Müller bestellt werden.
Hier als Vorschau drei meiner Lieblingsprodukte und -Rezepte. Vor allem Sissi Sonnleitners Polenta-Schmarren habe ich in den vergangenen Monaten zahlreiche Male gemacht und war immer sehr zufrieden.
Oder wiederentdeckt wurde, aber das ist eine andere Geschichte.