Alle fünf Jahre, scheint es, finde ich einen neuen Lebensabschnitts-Mapo-Tofu. Vor ein paar Wochen war es wieder soweit: ich bin über diese großartige Geschichte samt ältestestem überlieferten Mapo Tofu Rezept gestolpert, habe es nachgekocht - und war ziemlich angetan.
Es ist reduziert, simpel, clever, und richtig gut, mit fantastisch cremiger Konsistenz, intensivem Rindfleischgeschmack und umamiton; und in weniger als 20 Minuten gemacht. Dass eine wesentliche Zutat Ochsenschlepp-Schweinsfuss-Suppe ist, sichert ihm endgültig einen Platz in meinem Herzen.
Es ist außerdem ziemlich überraschend: es kommt darin nämlich kein Doubanjiang vor, die leicht scharfe, vergorene Bohnenpaste, die die definierende Zutat und wichtigster Geschmacksgeber aller modernen Mapo Rezepte ist. Ein Mapo ohne Doubanjiang ist ein wenig wie ein Gulasch ohne Paprika.1
Mapo Tofu soll der Legende nach zwar bereits um 1860 von einer Chengduer Restaurantbetreiberin erfunden worden sein, die damit die Arbeiter der nahen Ölmühlen in ihr Lokal lockte - ein genaues Rezept ist aber leider nicht überliefert.2 In den 1950er Jahren beschloss die neue kommunistische Regierung Chinas dann, eine Art Inventur der Küche des Riesenreiches und schickte Emissäre los, die in allen Provinzen Rezepte sammeln sollten. Dabei entstand ein für Mandarin-Leser sicher bemerkenswertes, elfbändiges Buch3. Im Kapitel “Berühmte Snacks” steht dann das erste schriftliche Rezept für Mapo Tofu.
Es stammt aus jenem Chengduer Restaurant, in dem der Mapo erfunden worden sein soll, und das es bis heute gibt. Das Rindsfaschierte wird dafür in reichlich Öl erst knusprig gebraten, sodass es das Öl aromatisiert und nachher ein guter Konsistenz-Kontrast zum Tofu ist. Aufgegossen wird die Mischung mit Ochsenschlepp-Schweinsfuss-Suppe, die nicht nur Geschmack gibt, sondern dank all der Gelatine schon vor der Maisstärke unglaublich viel Körper. Nach dem Binden wird die Sauce dann ein bisserl wie Douhua oder ein sehr weicher Pudding.
Der Tofu im Rezept ist ein weich-wabbeliger Seidentofu. In meinem bisherigen Standard-Mapo-Rezept, das eher an eine Bolognese erinnert, habe ich immer festen Tofu genommen, weil die Sauce zu dick ist für die Sojamilchmimose, in dieser suppigeren Variante aber macht sich der Gaumenschmeichler sehr gut. Ich bin mit Unicurd Silken Tofu (in Wien in den meisten Asiashops) sehr zufrieden.
Beim Kochen der Suppe bleibt übrigens jede Menge gutes Zeug über, weil der Ochsenschlepp so viel Geschmack hat, dass er auch nach vier Stunden im Sud noch köstlich ist, und Schweinsfüße sowieso kaum zu lang gegart werden können. Ich habe sie beide in Saucen serviert, die ich aus der Suppe und den Gewürzen gemacht und das Fleisch dann nur mehr darin aufgewärmt habe. Der Ochsenschlepp ist in dieser köstlich dick-klebrigen Sauce gelandet, die Schweinsfüße in dieser seltsam süchtig machenden Mischung aus Erdnussbutter und vergorenem Tofu.
Bevor es losgeht: Hier noch die Links zu meinen beiden früheren Mapo-Geschichten von vor zehn und fünf Jahren.
Mapu Tofu, so ähnlich wie in den 1950ern in Chengdu
Bei allen alten Rezepten ist es schwierig, die Zutaten genau zu kopieren, weil sie sich genauso wie Rezepte mit der Zeit verändern. Bei einem alten Rezept aus Sichuan ist es für einen Koch in Wien fast unmöglich. Ich musste also Abstriche machen, schon allein, weil ich weder caiziyou habe, geröstetes Rapsöl, das klassische Kochöl Sichuans, noch die spezielle Sojasauce der Gegend. Mein Großvater Mapu hat trotzdem fantastisch geschmeckt.
Für die Suppe
etwa 1/2kg Ochsenschlepp
1 Schweinsfuß
ein daumengroßes Stück Ingwer, geschält und angedrückt
2, 3 Frühlingszwiebel
Ein guter Schuss Shaoxing Wein
Für den Mapo Tofu
300g Seidentofu, für mich meist Unicurd Silken Tofu
1/8 Liter neutrales Öl, etwa Erdnuss oder Sonnenblumen. Nur kein Olivenöl, das ist zu intensiv.
150g Rindsfaschiertes von einem geschmacksintensiven Cut. Ich hatte ein faschiertes Onglet von den Ringls.
Salz
25g schwarze fermentierte Sojabohnen, gehackt. Ich habe Pearl River Bridge zu Hause.
Chilipulver nach Geschmack
300ml Ochsenschlepp-Schweinsfuß-Suppe
2 Frühlingszwiebl, in mundgerechte Stücke geschnitten
Ein Schuß helle chinesische Sojasauce
Eine Prise MSG
2 gehäufte Teelöffel Maisstärke, mit einem Schuss Wasser verrührt
Gemahlener Sichuanpfeffer nach Geschmack4
Alle Zutaten für die Suppe in einen Topf geben, mit Wasser bedecken und zum Sieden bringen. Vier Stunden sanft köcheln lassen und dann abseihen. Bei Bedarf etwas Wasser nachgießen, sodass Füße und Schlepp stets mit Flüssigkeit bedeckt sind. Kann ganz leicht ein paar Tage vorher vorbereitet werden.
Den Tofu würfeln, in eine Schüssel geben und mit kochendem Wasser übergießen. Ein, zwei Minuten ziehen lassen und dann abseihen (das ist nicht zwingend nötig, es verbessert aber Geschmack und Konsistenz und macht nicht sehr viel extra Arbeit).
Das Öl in einer Pfanne erhitzen und das Rindfleisch zugeben. Unter ständigem Rühren braten, bis es schön braun und knusprig ist. Erst Salz und schwarze Bohnen, dann Chillipulver kurz mitbraten. Mit der Suppe ablöschen, aufkochen lassen und den Tofu zugeben. Vier, fünf Minuten köcheln und etwas reduzieren lassen.
Frühlingszwiebel zugeben, mit Sojasauce und MSG5 würzen und die Maistärkemischung einrühren. Kurz binden lassen und vor dem Servieren mit gemahlenem Sichuanpfeffer bestreuen.
Das war’s. Fertig ist eines der besten Essen, das Sie in unter 20 Minuten kochen können.

Tatsächlich sind alte Gulaschrezepte bis ins 19. Jahrhundert paprikafrei.
Laut dieser Quelle wurde es mit Schweinefleischstreifchen statt Rindsfaschiertem zubereitet, was viel mehr Sinn ergibt, weil in China kaum Rindfleisch gegessen wird.
Falls jemand Zeit und Lust hat, darin schmökern kann und mir andere Perlen übersetzen will, ich würde mich wirklich sehr freuen!
In dem Originalrezept wird der Pfeffer nicht geröstet, sondern nur vermahlen. Zu Hause in einem Mörser ist das fast unmöglich, weil er ungeröstet viel zu zäh ist. Wer ungerösteten, gemahlenen Pfeffer will, ist besser beraten, ihn bereits als Pulver zu kaufen. Weil mir vorgemahlene Gewürze aber nicht taugen, habe ich hier ganze Körner geröstet und dann gemörsert.
Die Akzeptanz von Glutamat scheint in Österreich in den vergangenen Jahren stark gestiegen zu sein. Ich habe auf einer Atelier Closing Party vor drei Monaten Mapu für die Gäste gekocht und MSG als optionale Würze angeboten. Fast alle haben es genommen.