Die Suche nach dem perfekten Gulasch
Welcher Cut, wie viel Paprika, und ist Aufwärmen wirklich Pflicht?
Gulasch ist im Idealfall Jagdglück und Löffelgericht-Seligkeit in einem Teller vereint, gleichzeitig Befriedigung des niederen Fleischfresserinstinkts und der Sehnsucht nach heimeliger Gemütlichkeit.
Unter dem Namen Gulasch wird rund um die Welt geschmortes Fleisch (oder Erdäpfel und Würstel) in zahllosen Varianten serviert - gemeinsam ist ihnen allen bloß der Zwiebel und der Paprika. Weil ich in Wien aufgewachsen bin, wurde ich mit dem Wiener Saftgulasch sozialisiert: mürbe, relativ große Rindfleischbrocken in einer dicken, nur mit Zwiebel gebundenen Sauce.
Es stammt aus einer Zeit, in der Menschen, die nicht mussten, kein Gemüse aßen, und Fleisch in großen Mengen als erstrebenswerte Mahlzeit galt. Entsprechend wird es in Wien ohne Beilage serviert - nur ein Semmerl oder Salzstangerl sind in Wien seine treuen Begleiter, und der Diminutiv macht klar, dass es nicht um Sättigung, sondern nur Unterstützung beim Saft auftunken geht. Wem nach Grünzeug ist, der ordert das Fiakergulasch mit Fächergurke (und freut sich über extra Protein in Form des Würstels und des Eis).
Heute ist das Saftgulasch meist nachtaktiv, gelegentlich kann es auch in der Morgendämmerung und bis in den Vormittag hinein beobachtet werden. Sein natürlicher Lebensraum ist das Beisl. So wie Pasta Alfredo am besten im Trüffeldunst gegessen wird, und frische Seeigel in der Meeresbrise, macht wenig so Lust auf Gulasch wie der Geruch von abgestandenem Bier und einer langsam verblassenden Erinnerung an die Zeit vor dem Gastro-Rauchverbot.
Aber erstens macht Gulasch hin und wieder auch zu Hause großen Spaß und zweitens darf es in einer Serie über die Wiener Küche nicht fehlen. Statt immer nur ins Wirtshaus zu gehen, haben der Heinrich S. und ich uns daher auf die Suche nach dem perfekten Wiener Saftgulasch gemacht.
Wir haben diese Serie mit der Palatschinke begonnen, weil sie die Drosophila-Fliege des Kochexperiments ist: in wenigen Sekunden gemacht und ebenso schnell variiert, lässt sich an einem Nachmittag allerhand über ihre ideale Zubereitung lernen. Etwas mehr Mehl, etwas weniger Milch, und schon ist die nächste Palatschinke fertig.
Bei einem Gericht, das mehrere Stunden schmoren und dann laut vielen Rezepten noch ein paar Tage reifen muss, stößt diese Trial-and-Error-Methode an ihre Grenzen. Um dem perfekten Saftgulasch nahe zu kommen - oder ihm zumindest ein paar seiner Geheimnisse abzuringen - haben wir stattdessen zu einem freundlichen Gulasch-Wettkampf geladen. Gleich drei unserer persönlichen Gulaschgiganten sind der Einladung gefolgt.
An einem kalten Februarnachmittag sind wir in Heinrich S.’ Kochstudio zusammen gekommen, haben gekocht, gekostet und uns ausgetauscht. Und haben, glaube ich, alle noch was über das Gulasch an und für sich gelernt.

Dabei waren:
David P., ein langjähriger lieber Freund und leidenschaftlicher Esser. Er hat vor ein paar Monaten zu einer Industriebier-Verkostung geladen, um zu beweisen, dass er Ottakringer Bier an seinem schlechten Geschmack blind erkennt. Er ist gescheitert, hat uns aber dafür alle sehr mit seinem Gulasch beeindruckt, das er zur Verkostung kredenzt hat.
Dr. B., ein großer Gulaschconnaisseur und Freund von Heinrich S. Er ist bereits seit vielen Jahren hinter dem perfekte Gulasch her, und ist ihm seiner und vieler anderer Meinung nach schon sehr nahe gekommen.
Frau Ziii, die beste mir persönlich bekannte Wiener Wirtshausköchin, und Autorin dieses wunderbaren Gulaschrezepts. Bis heute wünsche ich, ich hätte es selbst geschrieben.
Und damit auch ein blutiges Anfängergulasch dabei ist, habe ich mich selbst noch ans Werk gemacht - mehr oder weniger treu dem Rezept aus Gerd Sievers’ Beislkochbuch folgend.
Ergänzt haben wir das ganze mit Dosen- und Wirtshausware: Ein Pferdegulasch vom Pferdefleischer Gumprecht, weil Pferdegulasch fast so alt ist wie das verschriftlichte Gulasch selbst1; eine Dose von Inzersdorfer, weil Gulasch immer schon Konservenessen war2; und das legendäre Gulasch vom ebensolchen Gasthaus zum Sieg nahe des Wiener Karmelitermarkts. Das Anzengruber-Gulasch, für mich persönlich der Gold-Standard des Wiener Wirtshausgulaschs3, ist sich zeitlich leider nicht ausgegangen.
Aber zuerst, wie immer:
Eine kurze Geschichte des Gulaschs
Das Gulasch kommt aus der ungarischen Puszta. Sein Namensgeber, der Gulyás (ungarisch für Rinderhirte4), kocht es dort wahrscheinlich schon seit über 1000 Jahren - angeblich sollen erste Erwähnungen aus dem 9. Jahrhundert stammen. Wir haben selbst zumindest ethnographische Schriften aus dem 18. Jahrhundert gefunden.
Allerdings hatte das Gericht lange wenig mit dem gemeinsam, was man in Wien heute unter Gulasch versteht. Das Gulyáshús (wörtlich Hirtenfleisch) der Puszta war zunächst eingekochtes, dann getrocknetes Fleisch, das die Hirten auf ihren Wanderungen leicht mitnehmen konnten, und das mit etwas Wasser in einem Kessel wiederbelebt wurde. Paprika war keiner mit dabei, schon allein deshalb, weil er als Pflanze der neuen Welt bis mindestens ins 17. Jahrhundert in Ungarn unbekannt war. Gewürzt wurde in der Puszta, wenn überhaupt, mit ein wenig Zwiebel, eventuell getrocknetem Ingwer und ein paar Pfefferkörnern.
Im späten 18., frühen 19. Jahrhundert machte der erwachende ungarische Nationalismus gemeinsam mit einer Art frühem “Zurück-zum-Ursprung”-Hype das arme Hirtenessen plötzlich im schicken Budapest salonfähig - und es dauerte nicht lange, bis es von hier seinen Weg nach Wien fand.5
Moderne Wiener hätten das Gericht, das da ankam, aber nicht als Gulasch erkannt. Die ersten Gulasche, die in der Stadt serviert wurden, waren dünne Eintöpfe mit viel Flüssigkeit und klein geschnittenem Fleisch, ohne Paprika, dafür mit Mehl in der Sauce.
Erst 1819, stolze 14 Jahre nach dem ersten deutschen Gulaschrezept, erscheint das erste Rezept mit Paprika. Bis in die späten 1820er Jahre unterscheiden Kochbücher dann zwischen (deutschem) Gulasch, das mit Pfeffer gewürzt wird, und ungarischem Gulasch, in dem Paprika landet.
Der dürfte als Pfeffernachfolger außerdem lange scharf gewesen sein: “Ein rechter Ungarmagen verträgt einen Theelöffel voll Paprika wie Confect, den Deutschen aber brennt's bei gleicher Dosis wie mit Höllengluthen, die weder Bacchus noch Gambrinus zu löschen vermögen”, warnt ein Autor noch 1884. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheint sich die heute übliche edelsüße Paprikavariante - plus ein wenig scharfer Paprika für die Würze - durchgesetzt zu haben.
Kochbücher empfahlen außerdem für viele Jahrzehnte vor allem Lungenbraten oder Rostbraten als ideale Stücke, wahrscheinlich, weil Menschen, die sich damals Kochbücher leisten konnten, aus Prinzip kein billiges Fleisch aßen. Katharina Prato war 1865 dann die erste, die in ihrer “Süddeutschen Küche” auch günstigere Cuts erwähnt, in ihrer Ausgabe von 1890 taucht dann erstmals der heute als Gold-Standard geltende Wadschunken auf - für “billiges Gulasch”.
Als der Paprika so weit verbreitet war, dass er nicht mehr zur Unterscheidung zwischen den Gulaschen taugte, übernahm die Zwiebel diese Rolle: “ungarische” Gulasche wurden fortan mit viel mehr Zwiebel gemacht als “deutsche”. Und als das Gericht so eingebürgert war, dass es nur mehr “Gulasch” ohne Nationalität in den Kochbüchern gab, begann die Zwiebelmenge in allen Rezepten langsam, aber stetig zu wachsen.
Wurde zu Beginn der Gulaschrezeptgeschichte eine Zwiebel pro Kilo Fleisch empfohlen, stieg die Menge bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf durchschnittlich ein halbes Kilo an. Alice Urbach war 1928 dann die erste, die die heute übliche Fleisch-Zwiebel-Parität erreichte, und ein Kilo Zwiebel auf ein Kilo Fleisch forderte. Das moderne Wiener Saftgulasch war geboren.6
In den 2000ern veröffentlichte Adi Bittermann dann ein Gulaschrezept mit 2,5kg Zwiebel auf ein Kilo Fleisch, plus Backfett vom Surschnitzel als wesentliche Zutat, aber das ist eine andere Geschichte.
Was wir über Gulasch gelernt haben
Das Fleisch, oder es kommt nicht auf den Cut, sondern auf die Qualität an
Alle vier hausgemachten Gulasche waren mit anderen Cuts gemacht: Die Frau Ziii hat ganz klassisch auf Wadschunken gesetzt, David P. hat auch Wadschunken geordert, ihn dann aber spontan noch mit Rinderhals gestreckt; ich habe, um für Abwechslung von der befürchteten Allgegenwart des Wadschunken zu sorgen, bei der Frau Ringl Beinfleisch bestellt; und Dr. B. hat, für mich völlig unerwartet, Schulterscherzeln verkocht - und damit auch noch den klaren Fleischsieg eingefahren.
Nicht, dass die Wadschunken oder der Rinderhals schlecht gewesen wären -aber das Dr. B’sche Schulterscherzel hatte eine weiche, aber trotzdem kernige Konsistenz, einen zarten, weder trockenen noch fetten Schmelz, und einen tiefen bovinen Wohlgeschmack, wie man ihn selten genießen darf.
Zugegeben, das Dr. B’sche Schulterscherzel war außergewöhnlich schön, von einem einst sehr glücklichen Rind aus der Buckligen Welt, mit einer erstaunlichen Marmorierung und einer fast kleinfingerdicken Sehne, die sich beim Garen in Gelatine verwandelt hat. Wenn Ihnen so eines unterkommt, schlagen Sie auf jeden Fall zu!
Meine Shortribs von den Ringls haben sich ebenfalls erstaunlich gut geschlagen: das Fleisch an und für sich hatte sogar meiner und Frau Ziiis Meinung nach die bessere Konsistenz als der Wadschunken. Etwas störend war aber erstens die enorme Menge Fett, die dieser Cut lässt, und zweitens die Knochen, die ich mitgeschmort und dann erst vor dem Servieren aus dem weichen Fleisch gezogen habe. Sie haben dem Gulaschsaft einen kräftigen, naja, Rinderknochengeruch und -geschmack gegeben, der in einer Rindssuppe super ist, in einem Gulasch aber etwas irritierend wirkt. Ich würde noch einmal Shortribs verwenden, aber dann gleich vom Knochen schneiden und das Ergebnis vor dem Servieren entfetten.
Die Moral: Qualität kaufen zahlt sich auch für Schmorgerichte aus; Knochen haben im Gulasch nur in kleinen Mengen was verloren; und der idale Gulasch-Cut ist gut von Flachsen und Sehnen durchzogen, aber nicht zu fett. Ob das jetzt der Wadschunken, das Schulterscherzel oder doch die Fledermaus ist, muss jedes Mal aufs neue vor der Fleischtheke entschieden werden.
Ein altes Gulasch-Sakrileg: das Fleisch bräunen
Die Gulasch-Orthodoxie ist sehr eindeutig: Wiener Gulasch-Fleisch wird vor dem Dünsten nicht angebraten. Frau Ziii und David P. tun das für ihre Gulasche trotzdem, Dr. B. und ich haben es mit unseren Gulaschen nicht getan. Das Ergebnis: es macht keinen merkbaren Unterschied. Bei keinem der Gulasche haben wir uns gedacht, es könnte mehr oder weniger Röstaromen vertragen oder wäre sonstwie dank Anbraten/nicht Anbraten besser/schlechter gewesen. Im Zweifel täte ich sagen: wegen des extra Aufwands den Schritt sparen.
Das Fett
David P., Frau Ziii und ich haben ganz klassisch auf Schmalz beim Anbraten gesetzt, Dr. B. auf eine Mischung (1:1) aus Schmalz und Pflanzenöl. Ich kann keinen Nachteil erkennen, wenn man nur Schweinefett verwendet.
Die Zwiebel
Ich gestehe, da haben wir nicht experimentiert. Wir alle haben ungefähr auf jedes Kilo Fleisch etwa 700 g bis ein Kilo Zwiebel genommen. Und wir haben sie alle gebräunt, bis sie goldgelb, aber nicht braun waren. Dr. B. hat sich damit allerdings ganz besonders viel Zeit gelassen - er empfiehlt etwa 2,5 (!) Stunden.
Das Ergebnis war in allen Fällen gut, aber ich kann nicht sagen, ob mehr/weniger Bräunung oder mehr/weniger Zwiebel noch besser wären. Beim Schnitt gab es Unterschiede: David P. und ich haben nudelig geschnitten, Frau Ziii und Dr. B. haben gewürfelt (oder, im Fall Dr. B.s, vom Heinrich S. würfeln lassen). In den Saucen waren für mich keine Unterschiede feststellbar - ein weiterer Punkt, der keine Beachtung verdient.
Der Paprika
Eine Zutat, die doch merkbare Auswirkung hat. Wir haben alle unterschiedliche Arten Paprika verwendet, der David P. hat außerdem noch ein bisserl mehr als die anderen reingegeben - und hat sich in der Hinsicht meiner Meinung nach durchgesetzt. Sein Paprika war von Ingo Holland, edelsüß, ungarisch, gemahlen. Sehr gut, geschmacksintensiv, und angenehm fruchtig. Noch wichtiger war aber glaube ich die große Menge, die er verwendet hat: die doch beachtlichen 60 g auf ein Kilo Fleisch haben das Gericht trotzdem nicht überfahren, sondern genau jene Paprikanote verpasst, die es verdient hat. Nachahmenswert.
Glutamat und andere Gewürze
Die Frau Ziii ist sehr streng, wenn es darum geht, was außer Paprika in ein Gulasch darf: Ein bissl Kümmel, eventuell eine Idee Majoran, und sonst nix. David P. und ich haben es ziemlich genauso gehalten.
Der Dr. B. hingegen hat eher den Curry-Ansatz verfolgt und sich bei den Gewürzen ausgetobt. In sein Gulasch kommen Kümmel, Majoran, Wacholderbeeren, Kashmirichilis und, ganz wie im Anzengruber, Vegeta. Außerdem wird mit Essigwasser abgelöscht. Das Ergebnis schmeckt wenig überraschend nach mehr, komplexer, abwechslungsreicher - aber halt für mich auch etwas weniger typisch nach Gulasch. Den meisten Verkostern hat es sehr getaugt, aber ich glaube, ich bleibe Purist.
Der Herr P. hat uns dann noch gestanden, dass er etwas MSG (Mononatriumglutamat) in sein Gulasch hineingekippt hat. Nur einen Hauch, aber doch, und es hat dem Gulasch sehr gut getan. Nachdem auch Dr. B. via Vegeta zum Glutamat greift, werde ich das künftig auch so halten.
Die Aufwärmfrage, oder ein gutes Gulasch geht schneller, als ich geglaubt habe
Der Herr P., die Frau Ziii und ich haben unsere Gulasche alle ein paar Tage vor der Verkostung zubereitet, und dann bis zur Verkostung immer wieder aufgewärmt. Nur der Dr. B. hat zu meinem anfänglichen Entsetzen erklärt, er werde sein Gulasch erst in situ am Verkostungstag zubereiten. Ich war sehr sicher: das kann nicht gut gehen. Ich habe mich getäuscht.
Sein Gulasch hatte genau die gleiche (wenn nicht mehr) Tiefe im Geschmack, die gleiche fein-cremige Saucenkonsistenz wie die gereiften Gulasche. Er hat es am Herd gemacht, offen, ständig rührend, und der Prozess war faszinierend zu beobachten (eine Freude, um die Gulasch-im-Backofen-Schmorer umfallen): Die Farbe des Gerichts hat sich über zwei, drei Stunden von einem anfangs blassen schlammbraun zu einem prächtigen Pusztaparikarot gewandelt, die Konsistenz des Fleisches bzw. das Erreichen seines idealen Weichheitsgrads konnte man mit dem rührenden Kochlöffel fühlen. Umso faszinierender war, dass das alles nicht graduell, sondern ziemlich plötzlich passiert ist - und sobald diese Verwandlung vollzogen war, war es mit großem Genuss zu essen.
Der größte Vorteil, den das Gulaschreifen und -aufwärmen bringt, ist, dass es die Zwiebel mürber macht. Mit der Zeit und dem Aufwärmen schmelzen sie in die Sauce und geben ihr schließlich diese wunderbare, völlig stärkebindungsfreie Üppigkeit. Zwei Tage, die Reifezeit des Gulaschs des Herrn P., haben sich dabei als Sweetspot erwiesen - die drei Tage, die jenes der Frau Ziii reifen durfte, war mir fast schon zu lang, die Sauce gar cremig.
Der Dr. B. hat die fehlende Reifezeit aber elegant kompensiert, indem er seine Zwiebel erstesn sehr, sehr lange geschmort (siehe oben) und zweitens vor dem Schmoren ein wenig anpassiert hat - nicht komplett, aber so dass ungefähr ein Drittel der Masse gatschig war. Ich hätte blind nicht sagen können, dass seines das frische Gulasch war.
So ganz widerlegt hat das alles die Theorie, dass Gulasche mit der Zeit immer besser werden, natürlich nicht - es schließt ja schließlich nicht aus, dass das Dr. B’sche Gulasch am nächsten Tag noch einmal besser gewesen wäre.7 Es tröstet aber jedenfalls zu wissen, dass man auch an nur einem Nachmittag ein hervorragendes Gulasch kochen kann.
Dosen- und Wirtshausgulasche
Die gute Nachricht zuerst: das Inzersdorfer Gulasch ist tadelloses Campingessen. Es ist zwar nicht so gut wie ein selbst gemachtes Gulasch und hat eine etwas aufdringliche und schwer erklärbare Hartwurstnote, schmeckt aber sonst sehr in Ordnung - in und aus Gasthäusern habe ich schon Schlimmeres gegessen.
Zum Beispiel das Gulasch vom Sieg. Wir haben uns viel erwartet und leider wenig bekommen: es ist relativ dünn, irgendwo am halben Weg zwischen Gulasch und Gulaschsuppe, und schmeckt so, dass die Frau Ziii “Gulaschfix” gerufen hat.
Der klare Verlierer des Abends war aber das Gumprecht-Gulasch. Optisch erinnert es an Hundefutter mit seinem seltsamen Gelatineglanz und der bröckeligen Konsistenz, sodass die Hälfte der TeilnehmerInnen sich gleich geweigert haben, es zu kosten. Weil es kein merk- oder sichtbares Paprikapulver, sondern nur Flankerl frischer Paprika enthält, ist es braun statt rot. Es schmeckt nicht unangenehm, aber nicht nach Fleisch, sondern am ehesten nach Kichererbsenwasser (sic), und hat mit Gulasch außer dem Namen nichts gemein. Schade. Ich täte mich freuen, wenn die lange Tradition des Pferdegulaschs wiederbelebt werden würde.
Was wir über Gulasch gelernt haben
Den Unterschied zwischen einem guten und einem großen Gulasch, scheint mir, macht vor allem die Fleisch- und Paprikaqualität. Sonst gilt:
Es muss nicht immer Wadschunken sein. Ein gut durchzogener, nicht zu fetter Cut wie das Schulterscherzel kann genauso gut oder besser sein.
Nicht am Paprika sparen
Aufwärmen ist kein Muss - auch ein frisch gemachtes Gulasch kann ein sehr gutes Gulasch sein.
Glutamat macht das Gulasch besser.
Viele Wege führen zum Gulaschglück.
Die vorläufig perfekten Wiener Saftgulasche
Alle Gulasche hatten ihre Stärken und Schwächen, und es war faszinierend zu sehen, was für eine Varianz in einem doch so simplen, so gleich gemachten Gericht liegen kann.
Für mich war das Gulasch des David P. der Sieger des Abends. Nicht, weil es objektiv besser geschmeckt hätte als die von der Frau Ziii oder des Dr. B. ( nur meines war objektiv schlechter), sondern, weil es für mich das Gulaschigste war. Die kräftige Paprikanote, die super Saucenkonsistenz haben es genauso schmecken und im Mund anfühlen lassen, wie ich mir das von einem Beisl-Gulasch wünsche. Es war vielleicht nicht perfekt, aber vorbildlich.
Die meisten Verkoster hingegen, vor allem die, die am nächsten Tag noch fleißig gekostet haben, haben das Gulasch des Dr. B. zum Sieger gewählt. Nachdem die beiden außerdem so etwas wie zwei verschiedene Zugänge zum Gulasch repräsentieren, folgen hier beide Rezepte. Die Frau Ziii, die das schönste Gulasch des Abends gekocht hat, hat ihr Rezept schon ausführlich hier erklärt, und meines müssen Sie nicht näher kennen.

Das perfekte Gulasch des David P.
Das Beislgulasch, das auch nüchtern fantastisch schmeckt.
“1 kg Fleisch als Referenz für 4 Personen”, schreibt Herr P., aber “unter 2 kg zahlts sich’s eigentlich net aus.” Und er merkt an: “Wichtig find ich: großer Topf, möglichst Gusseisen und Schmorvorgang im Rohr mit gleichmäßiger Hitze, nicht am Herd.”
1 kg Wadschunken, das sollte schon ein gut durchzogener sein ( Wagyu war zuletzt sehr gut)
2-3 Stk Ochsenschlepp
1 kg Zwiebel
40-50 g Paprika, gutes Zeug aus Ungarn (Fam.Holland) oder Spanien (Vandenberg)
1-2 TL Kümmel, selbst gehackt, kein Pulver
1-2 TL Majoran
1/4 TL MSG
1 Lorbeerblatt
2 EL Tomatenmark
ca. 3/4 Liter Wasser oder Rindsuppe
1 paar Schluck Bier nach Geschmack, max. 1 Seidl, ich mags gern ein bisschen süßlicher, nicht zu hopfig, Tegernseer hat sich bewährt
Schweineschmalz
Salz, Pfeffer
Fleisch scharf im Schmalz anbraten, sodass bissl Röstaromen im Topf bleiben, Fleisch raus & beiseite stellen.
Soviel Schmalz nachgeben wie benötigt, geschnittene Zwiebel nach und nach rein, bei geringer Temperatur schön weich schwitzen / dünsten.
Salz, etwas Pfeffer und alle Aromaten (bis auf Lorbeer) rein und kurz mitschwitzen, darf nicht zu heiß sein - eh klar.
Mit Bier ablöschen, reduzieren lassen.
Fleisch wieder rein. Aufgießen, dass alles knapp ganz bedeckt ist
Lorbeer rein. Sanft aufkochen lassen.
Im Rohr bei 140°-150° gute 3 Stunden schmoren.
1 x stehen lassen, am besten über Nacht und nochmal 1 h bei max 130° schmoren.
Das perfekte Gulasch des Dr. B.
Ein Festtagsgulasch mit mehr Tiefe und Abwechslung, dafür weniger Beisl-Nostalgie.
4 Kilo Schulterscherzel, eventuell plus etwas Rinderwangerl
4 Kilo gelbe Zwiebel
Öl und Schweineschmalz (1:1) zum Anbraten
1 gestrichener EL Vegeta
3 Kashmiri Chilis
Ein paar Wacholderbeeren
Schwarzer Pfeffer
1 gehäufter TL Majoran
1 gestrichener TL Kümmel
Meersalz
1 EL Tomatenmark
1-1,5 gehäufte EL Paprikapulver vom Paprika Jancsi
50 ml Essiggurkerlwasser
800 ml Wasser
Das Fleisch in mundgerechte Würfel schneiden. Die Zwiebel feinwürfelig schneiden. Kashmirichilis, Wacholderbeeren, Pfeffer, Majoran, Kümmel und Meersalz in einem Mörser zu einem Pulver mahlen.
Schmalz und Öl in einem großen Topf mit dickem Boden erhitzen. Die Zwiebel zugeben und unter ständigem Rühren zusammen fallen und ganz langsam etwas Farbe nehmen lassen, etwa zweieinhalb Stunden (“Das ist das Geheimnis", schreibt Dr.B). Tomatenmark zugeben und kurz mitrösten. Mit dem Essiggurkerlwasser ablöschen und mit einem Pürierstab kurz pürieren, sodass etwa ein Drittel der Zwiebel breiig wird.
Die gemahlenen Gewürze und das Fleisch zugeben mit dem Wasser angießen. Auf mittlerer Hitze unter regelmäßigem Rühren garen, bis das Fleisch mürb ist, etwa zwei bis drei Stunden.
Abschmecken und in feinem Geschirr servieren.
1819 wird es erstmals in einer deutschen Quelle erwähnt, und zwar als Speise der “rohesten Hirten”, die es vor allem aus Fohlenfleisch bereiten.
Bereits 1895 ließ der österreichische und deutsche Alpenverein Dosengulasche der ersten europäischen Dosenfabrikanten “durch 15 Gourmands” verkosten, um zu entscheiden, welche für die “Verproviantirung (sic) der Touristenhütten” gekauft werden sollten. Wer sich immer schon gefragt hat: Gewonnen hat das Gulasch von Alois Tschurtschenthaler aus Südtirol.
Zumindest seit das “Powidl” auf der Margaretenstraße Ecke Franzensgasse nicht mehr ist. Das Gulasch dort war famos, genauso wie das Bier. Ich habe im Zuge der Recherche für diese Geschichte versucht, herauszufinden, was aus den ehemaligen Wirtsleuten dort wurde, leider vergebens. Wenn Sie mehr wissen: ich freue mich sehr über Hinweise.
Die Eskimos haben angeblich 50 Worte für Schnee, die Ungarn tatsächlich viele für Hirte. Leser Lajos Adamik, der als zahlender Abonennt diesen Text schon vor zwei Tagen bekommen hat, schreibt mir:
“gulyás ist nicht irgendwelcher Hirte, sondern speziell der Rinderhirte, gebildet aus dem Wort gulya, 'Rinderherde'. Dann gibt es noch:
csikós - Pferdehirte, von csikó, 'Fohlen'
juhász - Schafhirte - von juh, 'Schaf'
kondás und kanász - Schweinehirte, das erste Wort ist unbekannter Herkunft, das zweite von kan, 'Eber'
Zudem gibt es noch csordás, von csorda, 'Viehherde' - mit dem Wort bezeichnet man meist Rinderhirten.
Hirte ohne Spezifizierung der gehüteten Tierart wäre pásztor, ein Wort slawischer Herkunft. Mit pásztor wiederum kann man Komposita bilden:
tehénpásztor - Kuhhirt
juhpásztor - Schafhirt
libapásztor - Gänsehirt.
Zitat Ende. Ich danke vielmals für den Hinweis und die Aufklärung.
Schon 1792 beschwert sich ein Ungar, dass zahlreiche Wiener Gaststätten zwar alle versuchten, das Gulasch nachzuahmen, es aber hier nie so gut schmecke wie in Ungarn. 1805 erscheint dann das erste gedruckte deutschsprachige Rezept für ein “Wiener oder Golaschfleisch von Lendenbraten” in der “Bairischen Köchin in Böhmen” von Maria Neudecker. Der Heinrich S. konnte auch auf ungarisch kein älteres gedrucktes Rezept finden.
Von nun an gibt es bis weit ins 20. Jahrhundert eine weitere Unterscheidung zwischen Gulasch (weniger Zwiebel, mit Mehl gestaubt) und Saft-Gulasch (mehr Zwiebel, kein Mehl), aber das führt langsam zu weit bzw. zu den 26 verschiedenen Gulaschen, die in einem Artikel der Arbeiterzeitung von 1896 gelistet sind. Mich persönlich reizt da das exotische “Offiziersgollasch “(mit Leberknödel)” und das verführerisch vage bleibende “Kalbsgollasch (mit allem)” am meisten.
Der Beweis oder die Widerlegung dieser These stellt einen vor experimentelle Herausforderungen. Es ist sehr schwer, das exakt gleiche Gulasch einmal frisch und einmal gereift neben einander zu verkosten. Möglichkeit 1 besteht darin, Gulasch zu kochen, die Hälfte gleich einzufrieren, und dann zwei Tage später gegen das nicht eingefrorene zu verkosten - die Freude über das Ergebnis wird aber von den Zweifeln der Auswirkungen des Einfrierens getrübt. Möglichkeit 2 wäre, alle Zutaten für ein Gulasch genau abzuwiegen und vorzubereiten und nur die Hälfte gleich zu verkochen, den Rest zwei Tage später, aber hier bleibt das Problem, dass es sich halt doch nicht um das exakt gleiche Gulasch handelt. Insgesamt hält mich die unvermeidbare Unschärfe im Ergebnis vom doch beträchtlichen Aufwand ab.
Klingt sehr gut, muss ich ausprobieren! Ich halt mich momentan an dieses Rezept vom Reitbauer -
https://www.wagyu-austria.at/wp-content/uploads/2023/02/Kobe_Beef_Gulasch_Steirereck.pdf
Funktioniert gut finde ich, hab aber meistens Hirsch (Jäger-Schwiegervater…), dauert dann halt viel länger. Und Zwiebel röst ich auch länger.
Danke für das ausführliche Auskosten und Austesten. Ja es stimmt das Sieg Gulasch hat in den letzten 2 Jahren abgebaut. Anzengruber ist auch mein Gulaschhimmel obwohl wir mit den Kochgenossen noch immer nicht die Dunkle Farbe eruieren konnten.
Mein Gulasch auch recht puristisch im offenen Topf gekocht ohne Fleischanrösten.
Mein Rezept dauert ca. 4 Stunden samt Zwiebel anrösten.
4 kg Wadschunken vom Ochs bzw Stier
3 kg brauner Zwiebel gewürfelt
10 El Süßes Paprikapulver Bonito vom Lagerhaus bzw. C. Kropf, 8504 Predin
5 El Majoran
5 EL gehackte Kümmelkörner
1/2 Liter Tomatenpassata
1 Liter dunkles Malzbier Ottakringer
1 Chilli Schote
1 El Salz
2 Lorbeerblätter
Schweineschmalz zum Zwiebelrösten
4 El Essig
1TL Glutamat oder 2 Suppenwürfel Maggi