Ich esse Mozzarella am liebsten wie einen reifen, saftigen Pfirsich: in die Hand nehmen (oder von mir aus auf eine Gabel stecken), hineinbeißen und dabei gierig den köstlichen Saft schlürfen, der beim Biss unweigerlich hinausläuft. Der schmeckt bei gutem1 Mozzarella verführerisch milchsüß, anregend lakesalzig, und zart nach Stall und Heu und Tier. Der Käse darf beim Biss leise quietschen, sollte außen seidig weich sein und innen diese einzigartige Konsistenz zwischen cremig, körnig und gummig haben. Im Unterschied zum Pfirsich ist er idealerweise nicht kalt, sondern wohlig warm wie ein süditalienischer Sonnenuntergang (oder, etwas weniger romantisch, ein Büffeleuter).
In guten neapolitanischen Lokalen wie Mimi alla Ferrovia wird Mozzarella als Vorspeise serviert, weiß und pur, mit nichts außer vielleicht ein paar dekorativen Rucolablättern am Teller. Weil sich das Essen mit der Hand hier nicht schickt, wird er von den Kellnern am Tisch vorsichtig zerteilt, sodass möglichst wenig Saft austritt (am besten geht das mit einem gezackten Messer) und dann in großen Bissen verspeist. In rustikaleren Lokalen wie Capitan Cook in Massa Lubrense kommen mitunter dicke Tomatenscheiben, gekochter Thunfisch, Olivenöl und Basilikum (und ein Blick auf Capri) dazu. Hinterher ist Molke vom Teller Auftunken mit etwas Brot obligat.
Weil ich viel Zeit in Süditalien verbringen darf, bin ich ein Mozzarella-Snob. In und um Neapel gilt als unerlässlich, dass Mozzarella ganz, ganz frisch ist, also vor wenigen Stunden gemacht, und niemals nicht gekühlt wurde, weil sonst die Konsistenz ruiniert ist. Auch in Supermärkten liegt er stets in eigenen Becken bei Zimmertemperatur. Ware vom Vortag wird nicht mehr roh gegessen, sondern nur mehr zum Panieren und/oder Einschmelzen verwendet.

Ich habe daher zunächst gezögert, als der Heinrich S. einen Supermarktmozzarella-Test vorgeschlagen hat, weil ich den Zugang für eine Themenverfehlung gehalten habe. Österreichischer Supermarktmozzarella, war ich überzeugt, ist ausschließlich dafür gedacht, als Fädenzieher in Aufläufe und auf Pizzen geschmolzen zu werden. Wie und ob es pur schmeckt oder was für eine Konsistenz er roh hat, ist daher unerheblich.
Der Heinrich S. hat mich aber überzeugt, dass das viele Menschen, seine Frau und Töchter inklusive, anders sehen, und ihn sehr wohl pur essen wollen. Dann bin ich beim herum googlen noch auf einen ORF Bericht über einen Mozzarella Konsument Test gestoßen, und habe mich darüber geärgert - weil er nicht ein einziges Wort über den Geschmack der Produkte verliert, und es schafft, selbst aus Supmermarktmozzarella ein Angstthema zu machen (Mindesthaltbarkeitsdatum! Kühlkette!! Mozzarella-Kalorien!!!)
Also haben wir uns ans Kosten gemacht. Der Heinrich S. scheint jedenfalls recht zu haben: noch nie war die Nachfrage nach den Testresten größer als nach der Mozzarellaverkostung.
Vorab: es gibt zu meiner eingestandenen Überraschung auch in heimischen Supermärkten Produkte, die sich mit Genuss roh essen lassen.
Eine kurze Geschichte des Mozzarella
Je nachdem, wie genau man es nimmt, stammt die erste schriftliche Erwähnung von Mozzarella aus dem frühen (Ein Käse mit dem Namen “mozza”) oder späten (“Mozzarella”) Mittelalter. Er dürfte jedenfalls schon immer aus der fetten Milch der Wasserbüffel gemacht worden sein, die einst auch wild in Süditaliens Sümpfen lebten.2 Ein sehr ähnlicher Käse aus Kuhmilch wird in Süditalien nicht Mozzarella, sondern Fior di Latte genannt. Er ist trockener, weniger fett, schmeckt milder und generell weniger aufregend. Er hat allerdings den Vorteil, dass er weniger Wasser/Molke enthält, und daher beim Schmelzen die Pizza nicht durchnässt.
Beide - Mozzarella und Fior di Latte - sind sogenannte Pasta Filata Käse: Die Milch wird mit Lab geronnen, trocken gelegt und gepresst, dann wird diese Käsemasse gerieben, geschmolzen und geformt. In Österreich wird auch Fior di Latte unter dem Namen Mozzarella verkauft, ich verwende das Wort daher weiter unten im Test auch für Kuhmilchkäse.

In Süditalien wird Mozzarella meist zu 200 oder 500g schweren Kugeln geformt und gelegentlich zu Zöpfen geflochten. Kleinere Kugeln werden als “Bocconcini” verkauft und als Snack gegessen. In österreichischen Supermärkten sind fast ausschließlich die kleinen Kugeln erhältlich. Fior di Latte ist in Süditalien meist in Rollen- oder rechteckiger Form erhältlich, weil er gern in Scheiben geschnitten wird.
Nach dem zweiten Weltkrieg wäre die Mozzarellatradition Süditaliens fast ausgestorben, weil fast alle Tiere im und nach dem Krieg verendet (oder gegessen worden) waren. Die Mozzarella-Produktion verlagerte sich in den reichen, industrialisierten Norden. Bis heute kommt billige Supermarktware vor allem von hier. Erst in den späten 1980er Jahren besannen sich die Süditaliener ihrer alten Tradition. Der Käse, der seither hier wieder gemacht wird, wird oft handwerklich und in vergleichsweise kleine(re)n Betrieben hergestellt (hier gibts Fotos).
Der beste Mozzarella kommt heute, behaupte ich, aus der Ebene von Paestum, eine Stunde südlich von Neapel. Wer durch die Gegend fährt, kommt an hunderten Farmen vorbei, die Mozzarella ab Hof verkaufen, Eis und Joghurt aus Büffelmilch machen und in angeschlossenen Restaurants nicht nur Käse, sondern auch gegrilltes Büffelfleisch servieren. Manche sind prächtige Höfe mit eigenen Gemüsegärten, und einsehbaren Ställen. Sollten Sie mal in die Gegend kommen: Vanullo ist großartig, sehr berühmt und fast immer ausverkauft (das fantastische Eis gibts aber immer), Masseria Lupata und Barlotti sind etwas weniger bekannt aber genauso gut.
Die Verkostungsergebnisse im Detail
Wir haben uns bei unserem Test auf das beschränkt, was sonst bei Tests von Lebensmitteln gern ignoriert wird: Geschmack und Konsistenz. Über die oft dokumentierten Probleme der Büffelmozzarellaindustrie geht es hier nicht, dazu gibt es zahlreiche Geschichten, etwa hier3.
Unsere Mozzarelle kamen von Billa, Spar, Hofer und Gurkerl, plus einem kleinen Wiener Produzenten.4 Wir haben unsere alte Verkostungsanordnung beibehalten und blind in Gruppen nach dem K.O. System verkostet. Gruppensieger sind immer aufgestiegen und in den Endrunden gegeneinander angetreten.
Als um nichts besser als schlechte Supermarktware hat sich das mit großem Abstand teuerste Produkt unseres Tests (und ziemlich sicher einer der teuersten Frischkäse der Welt) erwiesen, der Käse von Fratelli Valentino5. Ich habe ihn schon einmal probiert, als der Laden ganz neu war, und für nicht gut und völlig überteuert befunden, jetzt hat sich das leider wieder bestätigt: fad im Geschmack, wenig erfreulich in der Konsistenz. Er kostet 48 Euro das Kilo, und damit mehr als sehr viele hervorragende, jahrelang gereifte Käse .6

Unsere generellen Erkenntnisse:
Büffelmozzarella schmeckt definitiv nach mehr und hat die bessere Konsistenz zum pur essen, auch aus dem Supermarkt.
Schauen Sie aufs Ablaufdatum und nehmen Produkte, die noch möglichst weit davon entfernt sind, vor allem bei den teuren Büffelprodukten. Nicht, weil der Mozzarella sonst gefährlich wäre, sondern weil die besseren Produkte frischer einfach besser schmecken und Büffelfrischkäse mit der Zeit etwas funky wird. Unser Sieger wäre mit anderen Ablaufdaten mitunter ein anderer gewesen.
Vorsichtig auf 30-35 Grad erwärmen oder aktuell langsam auf Zimmertemperatur kommen lassen intensiviert den Geschmack und verbessert die Konsistenz von gutem Mozzarella sehr.
Österreicher können Mozzarella nicht. Die Produkte schmecken nach und fühlen sich an wie (sehr) schnittfeste Milch und oder Flummis. Die italienischen Produkte waren zwar nicht alle gut, aber tendenziell deutlich besser. Auch der beste Kuhmilchkäse in unserem Test kam nicht aus Österreich, sondern von einer deutschen Molkerei.
And the winners are…
In der Kategorie Büffel haben sich zwei Produkte recht klar durchgesetzt: Mozzarella di Bufala Campana Biolocia Ponte Reale, den es bei Gurkerl gibt, und Mozzarella di Bufala Campana D.O.P. von Spar. Beide haben einen guten, zart stalligen Büffelmozzarellageschmack, eine feine, saftige Konsistenz, und sind tatsächlich, ich geb’s zu, auch nur auf sich gestellt mit Genuss essbar. Uns hat der Ponte Reale noch etwas mehr getaugt, aber ob er den um mehr als 30 Prozent höheren Preis wert ist, muss jeder selbst entscheiden.
Bei den Kuhmilchprodukten gab es einen Überraschungssieger: neben dem Supermarktklassiker Galbani hat uns nämlich auch der Clever überzeugt - wir fanden ihn sogar eine Spur besser als die italienische Konkurrenz. Unserer stammte laut Liste aus einer Molkerei in Bayern, ob die immer den Clever Mozzarella machen, oder ob beim Käse wie bei der Butter die Hersteller variieren, kann ich nicht sagen. Beide - Galbani und Clever- täte ich persönlich aber trotzdem nicht für die Caprese, sondern eher zum Kochen oder im Sandwich verwenden7. Sie sind nicht schlecht oder unangenehm, aber schlicht ein bisserl fad.
Von den klassischen Supermarktprodukten waren sonst DeSpar, Spar Bio und Cucina Mobile (Hofer) besser als die Konkurrenz.
Besonders langweilig und im Mund unerfreulich waren Ja!Natürlich (Billa), Schärdinger, Bergbauernmozzarella, Miil und Miil Bio (Gurkerl) und S Budget (Spar).
Ich benutze im Text die im Deutschen übliche männliche Form, auch wenn Mozzarella auf italienisch weiblich ist.
Wie genau die Wasserbüffel, eine aus Asien stammende Tierart, hierher gekommen sind, ist nicht geklärt. Eine beliebte Hypothese ist, dass sie mit arabischen Eroberern im 10. Jahrhundert kamen, was ungefähr zum ersten Auftauchen des “Mozza” passen würde.
Die Geschichte ist jetzt auch schon bald zehn Jahre alt, und auch in Kampanien hat, sich, denke ich, einiges getan, vor allem bei den renommierten Produzenten.
Nach dem Test habe ich erfahren, dass Lidl einen sehr guten Mozzarella haben soll, den wir leider nicht verkostet haben. Ich werde vor dem nächsten Test im Newsletter einen Aufruf mit der Bitte um Hinweise auf unbedingt zu verkostende Produkte verschicken.
Wir haben nur Nodini bekommen, kleine, geknotete Fior di Latte Stränge. Klassischen Fior di Latte gibt’s nur auf Vorbestellung.
Vanullo, der vielleicht berühmteste Produzent Süditaliens, verlangt ab seinem sehr schicken Hof 13 Euro das Kilo. Eh, andere Gegend, andere Lohnnebenkosten, aber fast der Faktor vier!
Fior di Latte mit Prosciutto Crudo ist in Süditalien eine klassische Panino Kombination.
Der Wiener Mozarella hat mich auch 2x umgehauen, einmal beim Preis und das zweite mal beim versuchten Genuss. Dachte das ist ein Ausreißer, dass der so überhaupt nicht schmeckt und die Textur indiskutabel war. Weil er aber so gelobt wird wollte ich es noch einmal probieren, jetzt geh ich doch einfach weiter zum Spar. Danke!
Wo immer es probiert wird, leider ein wahres Wort - Österreicher_innen können Mozarella nicht. Dabei dachte ich alles kann man lernen.