Der Italien-Artikel hat erstaunliche 1.654 Kommentare (Stand: 13.7., 17:39) bekommen. Ich versuche hier einmal, die wichtigsten Themen aufzugreifen.
Warum ist der Kaffee in Italien so viel besser?
User “General Ärgerlich” fasst eine Frage gut zusammen, die sich einige Poster gestellt haben:
Für den Alltag viel wichtiger wäre die Frage, warum es in Österreich keinen anständigen ital. Espresso gibt? Warum gibt es keine Röster in Ö, deren Kaffee nur annähernd an die Bohnen die ein ital. Barista verwendet, heranreichen? Warum gibt es Ö keine hochwertigen robustalastigen Kaffeeblends.(Kaffee mit Charakter kann nicht zu 100% aus Arabicabohnen bestehen) Warum gibt es in Ö immer weniger Barista, die noch wissen wie man mit einer Siebträgermaschine richtig umgeht? Warum musste Starbucks seine Ö Filiale noch nicht längst schließen? Warum, warum, warum denn nur???
Ich stimme dem im Detail nicht zu, aber ich finde die Frage an sich sehr berechtigt: warum ist der durchschnittliche Kaffee in Österreich so hundsmiserabel? Schwarz schmeckt er fast immer so, als hätte der Barista bereits vier andere Kaffees durch dasselbe Pulver gedrückt, und ein Cappuccino/Melange wird meist als siedend heiße verwässerte Milch interpretiert. Der Unterschied ist da tatsächlich noch einmal viel extremer als beim Essen.
Jetzt ist es nicht so, dass Kaffee in Italien großartig wäre, im Gegenteil, so richtig gut ist er meiner Meinung nach sehr selten. Das muss und will er aber auch gar nicht sein. Guter Kaffee in Italien ist wie guter Landwein: einfach, aber verlässlich auf einem gewissen Niveau, und für einen Euro an der Bar (im Süden weniger) sehr, sehr befriedigend (hier hab ich mich mal länger darüber ausgelassen).
Andererseits gibt es in Österreich, zumindest in Wien, seit ein paar Jahren mitunter ganz hervorragenden Kaffee. Der kostet entsprechend, aber die richtig guten dieser Kaffees verhalten sich zu italienischem Espresso so wie ein edler Burgunder zu Landwein. Sie miteinander zu vergleichen oder gar gegeneinander auszuspielen, halte ich entsprechend für sinnlos.
Außerhalb dieser spezialisierten Bars aber ist Kaffee in Österreich sehr selten mit Genuss trinkbar, schon gar nicht im traditionellen Wiener Kaffeehaus und auch kaum je in sonst superen Restaurants.1 Das Servierte ist so schlecht, dass selbst der teure, ebenfalls miese Nespresso besser und entsprechend erfolgreich ist.
Ich habe keine befriedigende Antwort auf die Frage nach dem Warum. Ich glaube nicht, dass es mit dem Kaffee selbst zusammen hängt, weil der in Italien verwendete auch nur eine billige Industrieröstung ist (und außerdem problemlos auch hier zu kaufen wäre). Auch an den Maschinen kann es kaum liegen - die sind ja meistens international ident.
Ich glaube, es hat vielleicht etwas mit dem späten Siegeszug des Espressos zu tun in einem Land, das traditionell Filterkaffee getrunken hat. Die Maschinen und die Kaffeeart wurden getauscht, ohne gleichzeitig das Wissen um die Zubereitung zu erneuern.2 Ein weiterer Grund könnte, wie schon beim Essen, überzogene Ambitionen sein: “100 Prozent Arrabica” verzeiht halt in der Zubereitung viel weniger als eine Mischung mit Robusta. Oder es liegt einfach an zu wenig Pulver, zu viel Wasser, oder die Pulverportionen werden tatsächlich wieder verwertet, weil sich eh keiner jemals über den Dreck aufregt.
Ich habe mich auch mit dem Herrn Fink darüber unterhalten, der gerade eine Greisslerei mit guter Espressomaschine aufgesperrt hat (die goldene Ameise in Hernals), und daher viel mehr Ahnung vom Kaffeemachen hat als ich. Meinen Kommentar, es sei keine Wissenschaft, einen akzeptablen Espresso zu machen, hat er relativiert:
ich mache - bei zwei verschiedenen kaffeesorten in zwei mühlen - jeden morgen zwischen fünf und zehn kaffees für den gulli, ehe beide mühlen eingestellt / nachjustiert sind.. ..der kaffee kann sich im lauf des tages immer noch - mit wetterschwankungen, neue kaffeepackung anbrechen, etc - ändern und haarfeines nachjustieren (meist) an der mühle notwendig machen.. ..manchmal gieße ich (noch - hoffentlich 😅) mehr kaffees weg, als ich verkaufe.. ..das erfordert halt widmung und augenmerk auf viele details, die in summe den kaffee (egal ob single origin oder den süditalienischen „landkaffee“) gut machen.
Trotzdem ist es unverständlich, warum ein Wiener Kaffeehausbarista an etwas kläglich scheitert, das ein italienischer Autobahnraststättenverkäufer problemlos hinbekommt. Und ich glaube, dass des Herrn Finks Qualitätsansprüche deutlich höher liegen, als jene des neapolitanischen Durchschnittsbaristas. Der Kaffee dort ist oft in größeren Mengen vorgemahlen.
Das soll alles keine Provokation sein. Die Gründe dafür interessieren mich ganz ehrlich. Falls Sie ein Kaffeehaus betreiben oder als Barista arbeiten, bitte posten Sie oder schreiben mir!
Esskultur vs. Speisekanon, Küche vs. Essen, Theorie vs. Praxis
Ein Gutteil der Kritik an dem Text klang ähnlich wie das Posting von User “Insignificant human”, bis hin zu mehreren Verteidigungen der Küche in Nordrhein-Westfalens:
Andere Kulturen bringen auch andere Esskulturen mit sich. Zu behaupten, eine wäre besser als die andere, ist absurd. Italiens Küche ist der Schmelztiegel mediterranen Essens, wie österreichische Küche seinen Ursprung im Vielvölkerstaat der Habsburger hat, für jedes Lieblingsgericht aus Italien habe ich zwei aus Österreich und umgekehrt. Klingt komisch, ist aber so :-))
Und “New Hampshire” schreibt:
Ein bisschen möchte ich übrigens noch den Blick auf die klimatischen Punkte lenken:
Ich finde italienisches Essen toll und koche/esse immer wieder davon....allerdings gibt es Augenblicke/Jahreszeiten, wo mir die österr. Küche schon entgegen kommt.
Wenn ich nach einer Wanderung im Schnee oder vom Langlaufen heim komme, dann finde ich Tiroler Knödel oder ein Erdäpfelgulasch mit einer reschen Semmel ehrlich gesagt wunderbar....und da bin ich sicher nicht allein ;)
Ist kein Zufall, dass sich diese Speisen über Jahrhunderte bewährt haben, während man im ital. Süden anders kocht (kochen muss).
Ich halte das für ein grundlegendes Missverständnis des Texts. Ich wollte und würde nie behaupten, dass Spaghetti Carbonara an und für sich besser seien als Krautfleckerl oder Meeresfrüchte objektiv köstlicher sind als Schwein3. Ich halte den italienischen Speisenkanon nicht für grundsätzlich besser als den österreichischen, und es ist absolut möglich, ganz wunderbares österreichisches Essen zu servieren.
Ich wollte nicht die Theorie, die Küche, vergleichen, sondern die Praxis, nicht die Rezepte, sondern das servierte Essen. Das Problem, um das es mir geht, ist die Umsetzung. So gut österreichische Küche theoretisch sein kann, sie wird einfach selten gut gemacht, und italienische Speisen, die hier serviert werden, sind meist noch einmal um eim Eck schlechter.
Esskulturen, also die Art, wie Essen tatsächlich zubereitet, serviert, zelebiert wird, kann man meiner Meinung nach sehr wohl vergleichen. Und die Behauptung, dass passiere in Österreich auf einem ähnlichen Niveau wie in Italien, halte wiederum ich für absurd.
Nonna tot, Küche auch
User “Ich, einfach nur ich” schlägt als Erklärung für die gute italienische Küche folgendes vor:
Das liegt vielleichr auch daran, daß die italienische Mamma stolz auf ihre Küche ist (und ich meine auch den Raum an sich), und den halben Tag dort verbringt, die Zeit und die Lust hat, die kleinen Geschäfte abzuklappern, einzukaufen und zu tratschen.
Während sich bei uns Frauen im Beruf verwirklichen müssen, dann natürlich schnell im Supermarkt einkaufen und die Küche an sich ein "verrufener" Ort für Frauen geworden ist.
“Weniger ist mehr” schlägt in die selbe Kerbe:
in dem Maß, wie die Erwerbsarbeitszeit steigt, geht die familiäre Essenkultur runter. In Österreich ist der Anteil der arbeitstätigen Frauen etwa um die Hälfte höher als in Italien. Dh. in Italien bleibt fast jede 2. Frau zu Hause. Die haben Zeit, einkaufen zu gehen und essen zu kochen. Wenn die alle einmal arbeiten wie in Schweden, sind die ganzen kleinen Geschäfte tot und es bleiben nur noch Supermärkte mit endlosen Gefrierschränken über. Und wenn man einmal eine Feinkostabteilung betritt, steht dort ein Verkäufer, der keine Ahnung hat, was man mit der angebotenen Ware anfangen könnte.
Auch wenn die Postings ein wenig nach Sexismus stinken und vergessen, dass nicht jede(r), der gerne kocht, es auch automatisch gut tut, ist an der Analyse selbst leider was dran. Italiens Esskultur, auch die öffentliche im Restaurant, hängt zu einem guten Teil an dem enormen Einsatz und der Arbeit von (oft älteren) Frauen. Mangels Nachwuchs gleich welchen Geschlechts drängt sich auch mir die Sorge, was einmal werden soll aus einer der besten Küchen der Welt, wenn all diese Nonnas und Mammas nicht mehr sind.
Werden die jüngeren Frauen und Männer doch noch ihren Platz einnehmen? Der Georg Desrues hat das einmal in einem schönen Text fürs kurzzeitig widerbelebte All You Can Eat thematisiert, und auf italienische Hipsterwelle gesetzt:
Mehr Hoffnung verspricht erstaunlicherweise die Hipster-Welle, die seit einiger Zeit auch über Italien rollt. Sie hat zur Folge , dass inzwischen überall im Land Trattorien eröffnen, die konzeptuell ganz eindeutig auf Nostalgie setzen. Nach der Wiederbelebung althergebrachter Techniken der Weinerzeugung (Stichwort Orange Wine), des handwerklichen Bierbrauens (Stichwort Craft Beer) und archaischer Konservierungsmethoden (Stichwort Fermentation) beschwören nun auch in der Gastronomieszene immer mehr junge Italiener den Geist vergangener Zeiten.
Das hängt direkt zusammen mit einem anderen besorgniserregenden Punkt, den ein paar andere User angesprochen haben.
Bürokratie und Aufwand
User Znarfdwarf1 schreibt:
Vergesst die Märkte nicht
In Italien gibts noch den echten Wochenmarkt, der wirklich für Lebensmitteleinkauf genutzt wird und keine getarnte Gastromeile ist. Dort angebotene Selbstverständlichkeiten wie handgemachte Pasta zum selber Fertigkochen sind in Ö durch hohe Lohnnebenkosten und Gewerbeauflagen ein Bobo-Vergnügen geworden.
Die Märkte sehe ich nicht als Unterschied - die gibt es in Österreich meiner Meinung nach genauso, und das “Bobo-Vergnügen” widerum ist ein eher österreichisches Problem: das ist ja eines der wunderbaren Dinge an Italien, das gutes Essen, auch höherpreisiges, hier kein Hobby besserverdienender Städter ist, sondern sich jeder und jede für Essen interessiert und auch gern Geld dafür ausgibt.
Mit den hohen Lohnnebenkosten und Gewerbeauflagen hat er aber, fürchte ich, recht. Ich halte das für ein zweischneidiges Schwert. Die Auflagen sind in Österreich teilweise in der Tat hanebüchen und im schlimmsten Fall kontraproduktiv4. In Italien, scheint mir, werden kulinarische Traditionen und Kulturen generell höher geschätzt als obskure, oft nur auf dem Papier existierende Sicherheitsrisiken, und das finde ich gut und schön so.
Italienische Lohnkosten hingegen sind oft niedriger, weil gerade Restaurants und kleine Lebensmittelgeschäfte Familienbetriebe sind, deren Betreiber schwerst arbeiten - oft sieben Tage die Woche, zwölf Stunden am Tag. Auch in den familienbetriebenen Restaurants ist harte, lange Arbeit oft der Preis des guten Essens, genauso wie bei den zahlreichen kleinen Fleischereien, Salamiherstellern, Käsern, Winzern oder Bäckern. Ich bin heilfroh, dass es in Italien (noch) Leute gibt, die sich das antun, verstehe aber völlig, wenn das kaum mehr wer machen will. Und tatsächlich werden diese Betriebe oft von Leuten erhalten, die bedrohlich nah dran oder bereits weit jenseits des Pensionsalters sind.
Initiativen wie Slowfood, die da mit mehr Qualität und höheren Preisen gegensteuern wollen, haben meiner Meinung nach bisher nur bedingt Erfolg: Sie verwandeln etwas, was einmal eine Selbstverständlichkeit war, in etwas Besonderes, machen oft aus einstigem Alltagsessen Feinkost. Das rettet zwar die Produkte, und trotzdem geht etwas verloren.
Das mit den Restaurants ist noch verständlich: sie machen einfach viel zu wenige Kaffees am Tag, um da Routine zu bekommen. In (Süd)Italien gibt es daher in vielen Restaurants ebenfalls entweder Kaffee aus Tabs oder, die beste Lösung, gar keine Kaffeemaschine. Der Espresso wird einfach auf Verlangen aus der nächsten Bar geliefert.
Auf meinem Skandinavien Road Trip habe ich es sehr genossen, an jeder Tankstelle im Nirgendwo anständigen Filterkaffee trinken zu können - in Österreich ist das leider nicht mehr möglich. Filterkaffee ist vergleichsweise einfach zu machen, und auch schlechter Filterkaffee schmeckt meist noch ok. Schlechter Espresso hingegen ist einfach furchtbar, so wie schlechter Wein ungleich scheußlicher ist als schlechtes Bier.
Auch wenn ich das persönlich und rein subjektiv zugegeben so sehe.
Andererseits gilt gerade hier oft, dass, wo ein Wille, da auch ein Weg ist, und wenn Amtsvertreter und Produzent sich verstehen, geht eh meist Einiges, sei es Weidenschlachtung oder ein Erd-Käsekeller. Österreich ist in der Hinsicht das Süditalien des deutschsprachigen Raums, was vielleicht mit ein Grund dafür ist, dass das Essen hier immer noch besser ist als in Deutschland.
Bitte um eine Expert_innen Auskunft - reinigt man eine Mokka Kanne nach jedem Gebrauch?
ein grosses Kriterium beim Kaffee ist das Wasser, in Italien viel weicher und weniger bis gar kein Kalk!
Röstereien, klein und fein mit viel Freude am besonderen, gibt es bei uns einige, dann kostet aber das Kg auch mindestens € 30.-.
Und dann sollte man auch noch die richtige Tasse haben, am besten Steingut nicht zu dünn!