Sechs gute Dinge, Woche 16
Wiens ziemlich sicher bestes Thai-Essen, syrisches Gemüse, bulgarisches Joghurt, und ein Mühlviertler Wirtshausfestival
Es ist Okrazeit!
Aktuell, scheint mir, ist auf Wiens Märkten Okra-Hochsaison. Das trifft sich sehr gut, weil sich das Gemüse so wunderbar mit Paradeisern veträgt, die gerade ebenfalls gut zu haben sind. Okras kurz braten, etwas Knoblauch und eingelegte Jalapenos dazugeben, mit gehackten Tomaten einkochen, nach Lust und Laune noch eine scharfe Lammwurst mitschmoren, fertig ist das Mittagessen. Am besten sind meiner Meinung nach kleine Okras, irgendwas zwischen einem halben kleinen Finger und daumengroß. Wenn sie zu groß werden, sind sie holzig und fasrig. Aktuell gibt es Okras bei fast jedem Gemüsehändler aus dem erweiterten östlichen Mittelmeerraum, wer auf lokal und biodynamisch setzt, der findet sie auch bei der Bioschanze.
Okras sind berühmt - oder berüchtigt, je nachdem, wen sie fragen - für die herrlich schleimige Konsitenz, die sie gekocht entwickeln. Man kann das reduzieren, in dem man die Okras nicht schneidet, sondern im ganzen gart, und sie am Anfang scharf anbrät, aber es werden immer noch Okras bleiben. Wenn Sie das Schleimige gar nicht mögen, essen Sie lieber was anderes.
Syrisches Gemüsegeschäft am Hannovermarkt
Nach unserem Ausflug in den den Zehnten war ich vergangene Woche wieder mit dem Nadim Amin auf einer kleinen Markttour, diesmal am Hannovermarkt. Er hat mir dort von einem neuen syrischen Gemüsegeschäft vorgeschwärmt, dessen Besitzer sein Gemüse von einem anderen Syrer aus Italien bekommt - und zwar immer wieder auch spezielleres Zeug wie frisches Za’atar und Mulukhiyah Blätter. Die wecken ob ihrer speziellen schleimigen Konsistenz bei Nadim Zweit-Heimat-Weh nach Ägypten, die Okras des Stands waren aber jedenfalls schon mal sehr gut. Das Geschäft ist nicht am Markt selber, sondern auf der anderen Straßenseite, auf der Othmargasse.
Ein neues Falaffel am Brunnenmarkt
Der Gemüsehändler ist nur eines von ziemlich vielen Beispielen, wie Wien kulinarisch von den seinen vielen neuen syrischen Bewohnern profitiert hat. Ein weiteres sind die vielen feinen Grill- und Falaffelstände, die es mittlerweile am Brunnenmarkt gibt. Vergangene Woche durfte ich dort mein bestes Falaffel-Dürüm seit Sydney genießen (in Syrien war ich leider noch nie), plus ein tolles Kalb-Shawarma und ein meiner Meinung nach sehr passables Foul. Der Stand ist zwischen Gaulacher und Friedmangasse, links wenn man von der Gaulachergasse kommt, schräg vis a vis vom Bohnenkönig an der Ecke. Und am Hannovermarkt selbst gibts ebenfalls einen neuen, ganz guten Falaffelstand. Das supere Hühner Shawarma gibts hier leider nicht mehr.
Bulgarisches Joghurt
Ebenfalls nicht weit vom Hannovermarkt gibt es ein osteuropäisches Lebensmittelgeschäft, in das mich der Nadim wegen deren bulgarischem Joghurt gebracht hat (die Bulgaren beanspruchen ja immerhin für sich, Joghurt quasi erfunden zu haben). Es gibt zwei Varianten, einmal eine Mischung aus Kuh und Büffelmilch und einmal reines Schaf. Das Zeug ist tatsächlich beeindruckend.1 Das Mischjoghurt erinnert von Geschmack und Konsistenz mehr an Käsepudding denn an klassisches österreichisches Supermarktflüssigjoghurt und ist nicht stich- sondern eher schnittfest. Das Schaf ist nochmal fester. Schafmilch hat eine andere Fettstruktur als Kuhmilch und ergibt daher immer besonders festes und cremiges Joghurt, aber das ist eine Klasse für sich: Es erinnert mich an fein pürierte Fetacreme und ist, glaube ich, ziemlich ideal für viele salzige Speisen.
Das Thai Picknick bei der Reichsbrücke
Ich habe immer wieder davon gehört, aber bin, Schande über mich, bis vor zwei Wochen nie hingegangen: das große Thai-Picknick direkt an der Reichsbrückenrampe auf der Donauinsel (Richtung Kaisermühlen). Dort trifft sich bei Schönwetter jedes Wochenende die Thai-Community (in Wien ist die überwiegend weiblich, und, wie mir vom Essen scheint, aus dem Norden des Landes) und kocht für einander und interessierte Gäste - und zwar das beste Thai-Essen, dass ich in Wien bisher genießen durfte. Wir hatten (an zwei Wochenenden) ein ganz fantastisches Laotisches Laab aus rohem Rindfleisch und Kutteln, köstlichen im Bananenblatt gedämpfter Bambus, sauscharfes suppiges Fischcurry, mildes kokosnussiges Fischcurry im Bananenblatt, süße Bluttofu-Nudelsuppe, getrocknete, frittierte Tintenfische, bissl fade Fish Balls, frittierte Schweinshaut, Sticky Rice und einiges an Tropenfrüchten. Es gibt außerdem Dosenbier, Kartenrunden, Karaoketische und Thai Massage auf der Decke im Kaisermühlner Sonnenuntergang. Viel besser wird Wien im Sommer nicht.
Gepicknickt wird Freitag, Samstag, Sonntag, ab Mittag bis etwa 20:00, mal mit mehr, mal mit weniger Angebot. Lieber nicht zu spät kommen, ab 19:00 gibts nicht mehr viel Essen.
Die Mutter aller Wirtshaus-Parties im Mühlviertel
Der Philipp Rachinger ist nicht nur einer der besten Köche des Landes (und Sohn eines ebensolchen), sondern auch ein umtriebiger Vernetzer. Im September sperrt er bei ihm im Dorf alte, mittlerweile verlassene Wirtshäuser für einen Abend im September (9.9.) wieder auf - und hat einige andere ganz außergewöhnlich gute Köche und Köchinnen eingeladen: Ethel Hoon und Jakob Zeller, beide Ex Fäviken jetzt Klösterle; Milena Broder, die viel in Japan gekocht und gelernt hat und jetzt mit Erik Pedersen (Ex Kadeau, Geist, beides Kopenhagen) das Weiß in Bregenz betreibt; Viola und Lukas von Chateau Tingeling, die ich selbst nicht kenne, aber viel Gutes gehört hab; Nicolai und Kyumin vom Kadeau in Kopenhagen; und natürlich der Rest der Healthy Boy Band. Ich hoffe, ich bin als Gast ebenfalls dort.
Der Oxford Companien to Food erklärt: “The original yoghurts of Turkey and the Balkans are typically fermented by two species of bacteria, Streptococcus thermophilus and Lactobacillus bulgaricus. These are commonly employed in commercially made yoghurts in western countries, but do not produce results which taste like a farmhouse yoghurt in, say, bulgaria. One reason, that they are not based on whole fresh milk, could in principle be surmounted. However, the other reason is that the special characteristics of the Bulgarian farmhouse yoghurt depend on certain micro-organisms which are naturally present in Bulgarian farmyards but cannot be replicated for use elsewhere.” Ich bin nicht sicher, ob meine Version in einem bulgarischen Bauernhaus gemacht wurde oder nicht. Schmecken tut es jedenfalls so.
Wo bitte ist das osteuropäische Lebensmittelgeschäft?
Danke!