Eine gute Pastiera ist die Tortenversion eines blühenden Zitrushains: wollüstig, aber nicht schwer, erfrischend, voller verschiedener Zitrusaromen und aufregender Konsistenzen. Man schmeckt ihr die arabische Vergangenheit Süditaliens an, genauso wie die Wintersonne, die die Zitrusfrüchte reifen ließ. Sie ist der traditionelle Osterkuchen Neapels, und wird hier ehrfurchtsvoll "regina delle torte" genannt, die Königin der Torten.
Teile des Texts sind so ähnlich schon im Gruß aus der Küche erschienen, aus aktuellem Anlass (Ostern!), poste ich hier eine neue Version des Rezepts.
Eine klassische Pastiera ist eine Art eleganter, arabisch angehauchter Cheesecake: Möglichst frische Ricotta wird mit Zucker, Eiern und geschälten Weizenkörnern gemischt, die vorher mehrere Tage eingeweicht und dann in Milch und Gewürzen weichgekocht wurden. Die Masse wird schließlich mit Zitrusschalen und/oder Blütenwasser aromatisiert, mit kandierten Zitrusschalen gemischt und in einer Mürbteigtarte gebacken.
Wie fast alle neapolitanischen Desserts stammt auch die Pastiera aus dem Kloster: Die Brüder von San Gregorio Armeno, einem Barockkloster mit prächtigem Zitrusgarten mitten in der Altstadt, beanspruchen für sich, als Erste Pastiera gebacken zu haben. Der Name geht wohl darauf zurück, dass sie einst nicht mit Weizenkörnern, sondern Pasta gefüllt wurde. In Neapel ist diese Tradition ausgestorben, im Cilento aber, der wunderschönen, wilden Gegend etwa zwei Stunden südlich der Stadt, wird bis heute eine Pastiera di Spaghetti Dolce gebacken.
Obwohl jede Pasticceria und viele Bäckereien in Neapel Pastiera anbieten, behaupten Neapolitaner steif und fest, dass gekaufte Pastiera nie gut sei. "Machen wir immer selbst!" oder "Essen wir nur bei Mama!" sind die ewigen Antworten auf die Frage, wo es denn die beste gebe.
Das folgende Rezept stammt daher auch nicht von der Pasticceria Scaturchio, der berühmtesten Pastiera-Bäckerei der Stadt (deren Pastiera mir tatsächlich viel zu süß ist), sondern mehr oder weniger von Rita Pacifico aus Ercolano, einem Vorort von Neapel.
Rita war, als wir gebacken haben, 93 Jahre alt und buk immer noch jedes Jahr mindestens zwölf Pastiere (Pastieras?) für ihre erweiterte Großfamilie (ich hoffe, sie tut es immer noch). Nach langem Betteln und Flehen durfte ich sie für eine Geschichte mit einer befreundeten Fotografin besuchen und mit ihr Pastiera backen.
Seither mache ich jedes Jahr zumindest einmal zu Ostern eine, gestern war es wieder so weit. Für die Füllung habe ich Gerstengraupen verwendet, weil es die bei uns beim Chinesen gibt und im Supermarkt keine Weizengraupen lagen. Statt Orangenblütenwasser habe ich Orangenblütenmarmelade verwendet, die es im Rubin gibt, dem iranischen Shop in der Webgasse, genauso wie kandierte Zedratzitronen. Meine Ricotta war ordinäre Supermarktware von deSpar. Das Ergebnis war ziemlich gut.
Das Rezept steht in meinem Buch “Tutto Napoli - der Geschmack der Stadt”. Ich habe es für den Newsletter nur leicht adaptiert: Weil ich es etwas eilig hatte, habe ich die Graupen nicht über Nacht eingeweicht, sondern nur gekocht - wer das macht, braucht mehr Milch (so 1,5 Liter) und gute 1,5 Stunden Zeit.
Frohes Backen!
Pastiera nach Nonna Rita
Ziemlich perfekte Menge für eine Tarteform mit 29cm Durchmesser
Für die Füllung:
50 g Butter
1 1 Milch
150-170g geschälte Weizenkörner oder Graupen
500 g frische Ricotta
8 Eier (4 ganze, 4 Eigelb)
100 g Zucker
100 g kandierte Zedratzitronenschale (optional)
Zeste von 1 unbehandelten Zitrone
Zeste von 1 unbehandelten Orange
50 ml Orangenblütenwasser oder zwei Esslöffel Orangenblütenmarmelade
Mark von 2 Vanilleschoten
Für den Teig:
200 g Butter
4 Eier (2 ganze, 2 Eigelb)
500 g Mehl
150 g Zucker
Eine Prise Salz
Staubzucker zum Bestreuen
Am Tag vor dem Backen den Weizen vorbereiten: Butter in der Milch schmelzen, Weizenkörner oder Graupen über Nacht darin einweichen und dann 40 Minuten kochen, bis sie weich sind
Für den Teig Butter und Eier möglichst kühl stellen.
Mehl, Zucker und Salz gut mischen. Die in kleine Stücke geschnittene Butter und die Eier einarbeiten und kneten, bis ein Teig entsteht. Nicht zu viel kneten, er soll gerade zusammenhalten.
Alle Zutaten für die Füllung gut mischen. Die gekochten Weizenkörner als Letztes zugeben.
Den Teig etwa 5 mm dünn ausrollen. Eine Kuchenform damit auslegen, die überhängenden Ränder abschneiden und die Teigreste aufheben. Backrohr auf 160°C vorheizen.
Die Teigreste erneut ausrollen und Streifen ausschneiden.
Füllung in die Form geben und mit Teigstreifen dekorieren.
Die Pastiera eine Stunde backen, dann kurz auskühlen lassen und vor dem Servieren mit Staubzucker bestreuen.
Pastiera-Zeit!
Lieber Tobias,
in deinem Buch steht in der Angabe 500g Weizenkörner (!?), hier 150 bis 170, was mir plausibler erscheint... Was ist nun richtig? Hab die Variante mit 500 ausprobiert und empfand es als viel zu viel. Erst im Nachhinein entdeckte ich dieses Rezept hier... Grüße Lukas