Ich habe einen Roadtrip durch Italien gemacht und AI meine Restaurants aussuchen lassen
oder das alte Problem, in der Fremde ein gutes Lokal zu finden
Ok, nicht ausschließlich. Ich hab auch, wie immer in Italien, den Georges Desrues nach Tipps gefragt und meine Italy’s Most Wonderful Liste studiert. Aber ich habe auch Claude1 für jeden Stopp auf unserer Reise von Wien ins Cilento um Restauranttipps gebeten. Dort, wo ich sonst nichts hatte, mich ganz auf seine Empfehlungen verlassen. Und es hat ziemlich gut funktioniert. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass Claude und Konsorten das Zeug dazu haben, in nicht allzu ferner Zukunft ein uraltes Problem zu lösen: wie finde ich ein Restaurant, das mir taugt?
Nördlich von Rom hat er eine richtige Perle gefunden: die Trattoria del Cimino in Caprarola. Ich war zunächst skeptisch, weil ich über die Italienjahre gelernt habe, sehr vorsichtig zu sein bei Lokalen, die zu oft “Slow Food” auf ihren Speisekarten stehen haben - meist sind die mehr bemüht als gut, und noch dazu ob des Bemühens ziemlich teuer.

Hier aber haben wir hervorragend gegessen: Frittierte Zucchiniblüten mit Sardellen in Tempurateig, knusprig wie frische Chips; ein einfaches Spiegelei mit den besten Sommertrüffeln meines bisherigen Lebens; ein geschmortes Kaninchen in herrlicher Kräutersauce; und eine spektakulär gute Amatriciana (mehrere Slowfood-Presidia-Produkte drin, ich hab die Details vergessen) mit hausgemachten Pici, den dicken Wuzelnudeln Mittelitaliens. Es war ein Fest.
Auch anderswo hat er sich sehr wacker geschlagen: In Ravenna, wo ich völlig ahnungslos war, sind wir in der Osteria dei Battibecchi gelandet, erst auf Platz fünf seiner Vorschlagsliste. Alles andere war am Sonntagabend zu. Es war nicht umwerfend gut, aber immer noch schwer in Ordnung, direkt beim Hauptplatz und trotzdem keine Touristenfalle: Polpetti mit Erbsen, Agnolotti al Ragu, keine Beschwerden.
In Viterbo, das sich im Zentrum ein wenig nach Touristenfalle anfühlt, hat er uns in die Trattoria Tre Rei geschickt, ein für die Stadt ungewöhnlich uriges Lokal. Wir haben Aquacotta (Brotsuppe mit Scarola ), Lebercrostini, Peccorino, Paccheri mit Shrimps und Pistazien (das Highlight) und eine Pasta al Ragù gegessen, nichts überwältigendes, aber sehr in Ordnung. Und in der Gegend von Udine habe ich mich zwar auf die Empfehlungen vom Georges Desrues verlassen, aber Claude hätte uns die Trattoria alla Vedova vorgeschlagen, laut Georges ein tadelloser Klassiker.
Seine Empfehlungen waren alle keine Geheimtipps oder sensationellen Entdeckungen, aber jedes einzelne besser als der Durchschnitt. Sie alle hätte ich wohl anders auch finden können - aber die KI hat mir mit ihren Tipps Stunden an Arbeit gespart, schon allein, weil sie in Sekunden hunderte Fotos ansehen und viel schneller italienisch lesen kann als ich.
Normalerweise versuche ich, für Restauranttipps in Städten lokale Blogs zu lesen oder Reddit Threads zu finden, außerdem schaue ich auf Google Maps und klicke mich auf gut Glück durch dutzende Restaurants.2 Die Fotos, die Menschen dort posten (vor allem vom Essen!) sind meiner Meinung nach immer noch der verlässlichste Hinweis darauf, wie es wo schmecken wird.
Es ist nicht einfach, zu beschreiben, was genau ich dabei suche, und es variiert von Land zu Land und je nach Anlass. Grob gilt: Sind Schäumchen, Saucenkleckse und -Bremsspuren auf den Tellern zu sehen? Ist das Essen oft sehr bunt? Stehen Lachs oder seltsame Getreidesorten auf der Karte? Sind glutenfreie und vegetarische Gerichte als solche ausgewiesen? Werden vor allem die Desserts fotografiert? Finger weg.
Liegt oft nur eine einzige Zutat oder Komponente am Teller (ein Stück Fisch, ein Steak, ein prächtiges Gemüse), das liebevoll zubereitet wirkt? Ist das Essen tendenziell einfärbig? Wird es auf die Teller gelegt, nicht arrangiert? Stehen Innereien, ungewöhnliche Tiere (Perlhuhn, Kaninchen, Aal…) auf der Karte, variiert das Gemüse von Foto zu Foto stark? Dann sind die Chancen ganz gut, dass ich hier glücklich werde.

Oft ist es auch mehr ein Gefühl, als ein klarer fotografischer Beweis. Die satt dunkle Farbe des Steaks vom Grill, die saftige Blättrigkeit des Fischs, die dicke Sauce auf einer hausgemachten Pasta geben eine Ahnung von Köstlichkeit. Oder es ist das Lokal selbst: Eine Stimmung, die man auf den Fotos erahnen kann von vielen Jahren genussvoller Völlerei, eine Abnützung, die die Lokale aber nicht schäbig, sondern immer schöner werden lässt, eine Patina, die nur mit Zeit und ganz viel Gästeliebe kommt. Das sind die besten aller Orte, und Google Fotos sind die aktuell beste Art, sie zu finden.
Claude hat den riesigen Vorteil, dass man mit ihm reden kann und zumindest versuchen, ihm das alles zu erklären. Es ist nicht ganz einfach und braucht auch ein bisserl Zeit. Ich habe verschiedene Prompts probiert und all seine Vorschläge dann kontrolliert, ob es sie wirklich gibt. Alle waren echte Restaurants, aber manche lagen mitunter ein paar Stunden abseits unserer Route. Es war trotzdem eine sehr praktische Vorauswahl - und deutlich schneller als meine alte Methode.
Mal habe ich etwas präziser, mal etwas allgemeiner gefragt. Das war mein erster Versuch:
Hi Claude, ich werde zwei Nächte in einem Agritourismo nördlich von Udine verbringen. Bitte such mir Restaurants in und etwas nördlich von Udine, die folgende Bedingungen erfüllen: 1) Sehr gute Reviews auf Google auf Italienisch 2) Idealerweise im Slowfood Guide, Gamberi Rossi Guide oder Guide Michelin geführt, dort allerdings NICHT mit einem Stern, sondern am besten mit einem Bib Gourmand 3) Berühmt für ihre lokalen Spezialitäten 4) Idealerweise Familienbetriebe, am besten bereits in mindestens zweiter Generation. Bitte schau dir auch die Fotos der Speisen der Lokale an und suche solche, die die Gerichte einfach und rustikal anrichten.
Ich habe das mit mehreren Städten wiederholt, und dann schnell gemerkt, dass der Fokus auf die Guides nur bedingt hilfreich ist - es hat mir zu viele Schäumchen- und Saucenklecksergebnisse gebracht. Ich habe diesen Punkt daher schließlich gestrichen und es hat weiterhin gut funktioniert. Am Schluss, schon am Weg, war mein Prompt ziemlich simpel:
Claude, ich suche ein traditionelles, einfaches Lokal in Viterbo, das sehr gute Reviews auf italienischen Websites erhält.
Das hat mich zur Trattoria Tre Rei geführt.
Ich bin recht sicher (ich hoffe!), Claude wird einem noch länger keine Geheimtipps verraten oder einen Menschen ersetzen, der die Gegend gut kennt und den jeweiligen Restaurant-Geschmack teilt. Eine ziemlich super Ergänzung zu klassischen Guides ist aber jetzt schon. Feedback versteht er außerdem auch. Man kann ihm sagen, welche der Tipps gut waren, und welche weniger überzeugt haben. Wenn er mit der Zeit lernt, was mir gefällt - wenn wir gemeinsam wachsen - dann hat er echtes Potenzial.
Claude ist Anthropics Antwort auf ChatGPT. Er (sie? es?) ist mir sympathischer als OpenAIs KI, und auch wenn er ein bisserl ein Schleimer ist und einem mitunter unangenehm nach dem Mund redet, hat er, scheint mir, das Herz am rechten Fleck.
Tripadvisor halte ich für so erstaunlich nutzlos, dass ich mich immer wieder frage, wie diese Seite überlebt. Ich war in keinem einzigen der Top 20 Restaurants meiner Heimatstadt, ich kenne sie fast alle nicht einmal. In Frankreich ist der Michelinguide ein guter Tippgeber, die Bib Gourmand Auszeichnung ist auch in anderen Ländern manchmal hilfreich. In Italien ist der Slowfood Guide immer noch praktisch, auch wenn man sich besser von den top bewerteten Betrieben fern hält. Dann wird’s aber schon dünn.
Ich habe das mal mit ChatGPT und meiner Heimatstadt getestet.
Ich suche ein traditionelles, einfaches Restaurant in der Stadt Chur, das sehr gute Reviews auf lokalen Websites erhält. Bitte erstelle eine Liste von zehn Restaurants nach Priorität.
Mission accomplished.