Fisch essen bei Österreichs bestem Fischkoch
Einmal zu Hause, zwei Mal in seinem neuen Restaurant
Ich war lange der Meinung, dass Süßwasserfische eher uninteressant sind. Bis ich den Lukas Nagl kennen gelernt habe. Der Mann ist seit über zehn Jahren Chefkoch im Bootshaus am Traunsee und hat mir gezeigt, was für grandiose Dinge man auch aus Süßwasserbewohnern machen kann. Er hat mich so nachhaltig bekehrt, dass ich ein ganzes Süßwasserfischkochbuch mit ihm geschrieben habe.
Seit ein paar Jahren produziert er außerdem mit seiner Firma Luvi Fermente diverse Sojasaucen, Traunseefischsaucen und Misos, die er großzügig in seiner Küche verwendet. Sie sind nämlich oft genau das, was die mitunter etwas widerspenstigen Süßwasserfische brauchen.
Ich schaue, dass ich jedes Jahr zumindest ein paar Tage zu ihm an den Traunsee fahre, um zu erleben, was er gerade so macht. Heuer war das besonders aufregend, weil er im Sommer ein neues Restaurant aufgesperrt hat, die Beletage, wo er sich entspannter als im Bootshaus den Herrlichkeiten aus den umliegenden Seen (und von den Wiesen) widmen will. Wir haben gleich zwei mal in der Beletage geschlemmt. Ins Bootshaus haben wir es leider nicht geschafft, dafür hat er für uns privat einmal aufgekocht. Viel besser wird Fisch nicht, egal ob er vorher im Salz- oder Süßwasser geschwommen ist.1
Achtung: der folgende Post ist weniger Rezept und eher Amateur Food Porn, meine Form eines Instagram Posts, weil ich kein Instagram hab. Wen sowas nicht interessiert, lieber nicht weiterlesen.
10 Jahre alte Seeforelle in sechs Gängen
“Wollts Fisch essen kommen?”, hat der Luki mir geschrieben, und dieses Foto oben per Whatsapp geschickt. Zwei Tage später hat er für uns bei sich zu Hause ein Festmahl aus allen Teilen dieser fünfeinhalb Kilo schweren, etwa 10 Jahre alten Seeforelle (und einer kleinen Beifang-Rotfeder) gekocht.
Gang Eins: Rotfedernfaschiertes im Blätterteig, aus einer Rotfeder, die mit der Forelle mitgefangen wurde. Kräftig gewürzt wie ein indisches Curry, saftig, fischig, ganz köstlich. Zeigt, wie viel man auch aus Beifang machen kann.
Gang Zwei: Seeforellen-Innereien (Leber und Herz), kurz gebraten, auf Zwetschkensauce. Für Freunde der Fischleber (wie mich) ein großer Genuss. (Links oben: flauschig frisches Hefebrot mit karamellisierten Zwiebeln und Sardellen, weil der Luki gefürchtet hat, der Monsterfisch reicht nicht für uns alle. Die Angst war völling ubegründet, das Brot trotzdem super).
Zwischensnack: Die Haut, erst gekocht, getrocknet und dann knusprig frittiert, mit gemahlenem Sichuanpfeffer aus Oberösterreich.
Gang Drei: frittierter Milchner mit scharfer Mayo. Cremig, knusprig, zum Reinlegen gut, gar nicht fordernd, sondern einfach nur köstlich. Der Lieblingsgang meiner Frau.
Gang Vier: Sashimiplatte. Hier hat der Luki sich ein wenig ausgetobt. Einen Teil des Rückenfilets hat er dünn aufgeschnitten und in Kombu ein paar Stunden ziehen lassen, einen Teil mit ordentlich Fischsauce und Frühlingszwiebel zu Tatar gehackt, ein Stück geflämmt, und einen Teil bloß so, ohne nix aufgeschnitten. Dazu gab es eine Auswahl seiner Sojasaucen zum Dippen.
Gang fünf: Forellenkopf, in hausgemachtem Sake (!) schnell in der Pfanne gedämpft. Am Kopf sitzen bei allen Tieren die saftigsten, schmackhaftesten Stücke, bei der Forelle ist das nicht anders. Hier war daher wahrscheinlich mein liebster Bissen des Abends dabei: das Stück direkt unter der Vorderflosse, das bei großen Fischen immer fantastisch schmeckt. Der Sake zähmt die Fischigkeit ein wenig.
Gang Sechs: Für den Hauptgang hat der Luki die dicksten Stücke des Filets und den Bauch mit Miso mariniert und dann im Rohr gebraten - saftig, üppig, köstlich, und nach dem Festmahl vorher schon ein bisserl zu viel. Dazu gab’s zur Erfrischung eine intensive Suppe aus der Gräte und Lukis Würzsuppen.
Wir waren fünf Erwachsene und sechs Kinder, und ich glaube, die Familie Nagl hatte noch genug Reste für den nächsten Tag.
In der Beletage
Ähnlich wie beim Lukas zu Hause - simpel, reduziert, durchdacht, gut - geht es in der Beletage zu, auch wenn das Angebot etwas weniger aufregend ist. Die Fisch-Innereien und Köpfe fehlen bisher leider. Dafür gibt’s einen mächtigen Holzkohlegrill, wie ihn in Österreich nur wenige Lokale zu bieten haben.
Die besten Sachen kommen wenig überraschend auch von dort: die super Flusskrebse zum Beispiel, die per Stück bestellt werden können und nur kurz über den Kohlen schmurgeln, bevor sie mit viererlei Dips serviert werden; das beste Lammkebap, dass ich je gegessen habe, aus dem Rutzenmooser Lamm; und ganz wunderbar angekokelte, knusprige Topinampur.
Extra für uns (nicht auf der Karte) gab’s dann noch gegrillte Karpfenripperl (ein großartiger Cut, Rezept steht im Fischbuch, und eine mit Miso eingeriebene und in Speck gewickelte Aalrutte vom Grill.

Weitere Highlight: das Sashimi, vor allem von der Reinanke (Die Haut wird mit kochendem Wasser übergossen, das macht sie weich) und aus dem fetten Karpfenbauch (braucht sich vor Thun nicht zu verstecken); und der gefüllte Paprika mit einer Farce aus Hecht und Flusskrebsen und Flusskrebssauce. Klingt barock, ist aber modernes Wohlfühlessen pur.
In der Beletage essen macht jetzt schon großen Spaß, auch wenn noch nicht alles wie geschmiert läuft. Der Grill dürfte für mich auf manchen Speisen ruhig noch etwas deutlichere Spuren hinterlassen; Manche Speisen wirken sehr wohlfeil bepreist (das meiste Gemüse, der Tagesfang), andere etwas steil (das sehr kleine Stück Lachsforelle vom Grill für 19 Euro), und wenn mehr als zwei Leute gemeinsam essen, dann haut das mit dem Sharing Konzept bei den aktuellen Portionsgrößen noch nicht ganz hin. Das Lokal hat offiziell aber noch gar nicht offen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es im Winter noch einmal besser ist.
Zum Schluss: ein Bonus-Hecht
Ich habe vergeblich versucht, dem Atterseefischer meines Vertrauens einen frischen Aal abzuschwatzen, als Entschädigung hat er mir aber einen kapitalen Hecht geschenkt, den er in der Ager gefangen hat. Ich habe ihn auf Anraten vom Luki Nagl gesotten: erst habe ich aus dem Kopf und reichlich Wurzelwerk eine Suppe gekocht und dann den Hecht darin sanft gar ziehen lassen und schließlich von den (zahlreichen, spitzen) Gräten gezupft. Einmal habe ich ihn warm serviert, als eine Art steirischen Wurzelhecht, einmal erkaltet, in der gestockten Suppe, als Sulz.
Zwei Erkenntnisse: erstens, im Ganzen bzw. an der Gräte gesottener Fisch wird definitiv saftiger, als wenn er in Stücke geschnitten ist; und zweitens, im Sud ausgekühlt und dann gesulzt ist Hecht deutlich besser als frisch und warm in der Suppe. Hechtsulz täte ich jedenfalls jederzeit wieder machen.
Ich bin immer noch der Meinung, dass Meeresfisch Süßwasserfischen geschmacklich überlegen ist, vor allem, weil er von Natur aus so gut und daher viel einfacher zuzubereiten ist. Grillen und essen reicht meistens völlig, in vielen Fällen ist selbst das Garen unnötig oder gar kontraproduktiv. Es gibt nicht viel besseres auf der Welt als kurz gegrillte rote Garnelen, einen Babykalmar, frisch aus dem Wasser in den Mund gesteckt, oder einen gerade vom Stein gepflückten Seeigel. Bei Süßwasserfisch ist das anders. Er ist gleich doppelt mühsam für den Koch. Erstens braucht er Würzsaucen, Schneidetechniken und Geschmackskombinationen viel dringender; und zweitens ist schon die Verarbeitung an sich komplizierter, weil er so schleimig und oft ziemlich grätenreich ist. Umso größer aber die Freude und geschmackliche Offenbarung, wenn ein grandioser Koch zeigt, was man daraus alles machen kann.
Weniger comment, vielmehr die Fragen einer Lernenden in Sachen Fisch-Zubereitung: 1. Wenn es heißt in Miso mariniert, schmiert man da Miso einfach auf das Stück drauf und lässt es ziehen oder wird das Miso, das ja - zumindest soweit ich es kenne - eher pastös ist, irgendwie verflüssigt oder sonstwie aufbereitet? 2. Welches Miso? Es gibt ja unterschiedlichste Arten oder ist das eh egal?