Der mittelgroße Gruß aus der Küche Beinschinkentest
Aderngepökelte Edelware und Discounterschinken, hand- und maschinengeschnitten, frisch gesäbelt und begast und abgepackt.
Immer, wenn ich den Laden der Ringls betrete, hoffe ich, dass gerade ein frisch gekochter Schinken oben auf der Theke sitzt. Ich kann dann nicht anders, als mir von der Frau Ringl zumindest eine Scheibe, oft auch genug für ein ganzes Semmerl, runtersäbeln zu lassen. Frischer Beinschinken gehört zu den größeren Genüssen, die Wien so zu bieten hat: Die Restwärme des Kessels intensiviert den Geschmack, die schweinisch-fleischige Süße, der zarte Rauch, ungeheuer, der Fettdeckel schimmert verführerisch perlfarben und schmilzt im Mund zart dahin. Wie auch beim Krapfen gilt beim Schinken: noch frisch und warm ist er eine Klasse für sich.
Außerhalb kleiner Fleischereien ist diese Delikatesse bei uns leider selten zu finden.1 Weil aber auch kalter Schinken seine Reize hat, und gerade die Zeit naht, in der ich und andere besonders oft an ihn denken, haben der Heinrich S. und ich uns recht spontan an eine kleine Schinkenverkostung in seinem Kochstudio gemacht.
Wir haben uns dabei großteils auf den Beinschinken beschränkt, den König des Schinkens. Wir haben Schinken mehrerer kleinen Wiener Fleischereien gekauft und alles, was der Heinrich S. bei Spar, Billa und Hofer im Regal und der Feinkostabteilung gefunden hat. Die komplette Liste steht etwas weiter unten.
Wir haben wie immer Vierergruppen gebildet, mit je einem Fleischer- und drei Supermarktschinken, und diese blind verkostet. Dann haben wir die Schinken mit den meisten Punkten am Ende in der Finalrunde gegeneinander probiert. Die handgeschnittenen Schinken haben wir, weil sie doch sehr anders und außerdem leicht erkennbar sind, separat verkostet.
Ein warnendes Wort vorab: Beinschinken wird, wie der Name schon sagt, aus dem Bein eines einzigen Schweins gemacht. Man kann den Stil eines Erzeugers mögen, etwa die Würze und den Gargrad - zwei Schinken, selbst aus dem selben Haus, werden aber trotzdem nie ident sein, und je glücklicher und freier einst die Schweine waren, desto größer werden die Schwankungen sein. Und weil ein Bein an jeder Stelle etwas anders ist - magerer oder fetter, muskulöser oder nicht - kommt es auch noch auf den Schnitt an. Eine Schinkenverkostung ist daher stets eine Tendenzen zeigende Momentaufnahme, und nicht der Weisheit letzter Schluss.
Das Teilnehmerfeld
Wir erheben hier wie immer keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Einen Teilnehmer haben wir bei den Edelschinken trotzdem schmerzlich vermisst: den Schinken der Fleischerei Gissinger. Ich wollte ihn im Geschäft auf der Währingerstraße besorgen, weil das nah an Heinrich S.’ Kochstudio ist, allein, das Geschäft gibt es nicht mehr, und mir hat die Zeit gefehlt, dann noch nach Ottakring zu reisen. Sollten Sie überzeugter Gissinger-Schinkenfan sein, dann können Sie sich jetzt auf die Schulter klopfen und unsere Ergebnisse unter dem Vorwand, dass der wichtigste Schinken fehlt, ignorieren.
Im Supermarktfeld hat der Ja!Natürlich Schinken gefehlt, weil er bei Heinrich S.’ Billa leider aus war.
Aufmerksamen Lesern wird außerdem auffallen, dass sich ein paar Nicht-Beinschinken eingeschlichen haben. Der Heinrich S. konnte im Supermarkt einfach nicht widerstehen, und für den Vergleich ist es eh interessant.
Supermarktschinken vorgeschnitten: Hofstädter österreichischer Landschinken, Hofer Saunaschinken, Beinschinken geräuchert von Hütthaler (aus dem Schinkenaufschnitt, Amn.), Beinschinken Zurück zum Ursprung, Aibler Beinschinken, Berger Traditionsbeinschinken, Berger Beinschinken Selektion, Radatz Beinschinken.
Supermarktschinken frisch aufgeschnitten: Berger Traditionsbeinschinken (Billa), Prager Schinken Billa, Bauernschinken Tann (Spar), Prager Schinken DeSpar, Berger Beinschinken ohne Schwarte (Spar), Radatz kesselfrischer Beinschinken (aus der Radatz Filiale)
Vorstadtfleischer-Schinken: Ringl, Stierschneider, Landl
Handgeschnittene Edelschinken: Thum, Zum Schwarzen Kameel, Fleischerei Kröppel
Was wir über Beinschinken gelernt haben
Zuerst eine kurze Begriffsdefinition
Beinschinken sind Schinken, für die ganze Schweineschlögel gepökelt und gekocht werden, im Gegensatz zu Press- oder Sauna- oder sonstigen Schinken, die aus verschiedenen Fleischstücken zusammengesetzt werden dürfen.
Die meisten Beinschinken werden entbeint, damit sie auch auf der Maschine aufgeschnitten werden können. Wer den Knochen drin lässt, muss ihn in einen Schinkenspanner setzen und mit der Hand aufschneiden - was die besten Ergebnisse zeitigt.
Die Herstellung eines Beinschinkens läuft ungefähr so:
Für Beinschinken ohne Knochen werden zunächst die Schweinehintern entbeint. Bei Beinschinken am Knochen bleiben diese, no na, drin. Dann werden sie gepökelt; dafür wird meist erst eine Pökelsalzlake mit Spritzen injiziert, dann werden die Schinken mitunter noch in der Lake liegend ein paar Tage gepökelt.
Eine spezielle Form der Pökelung ist die Aderpökelung: dafür wird die Lake direkt über die Adern und Venen eingespritzt, wodurch sie sich wie das Blut und damit ganz besonders gut und gleichmäßig im Schweinebein verteilt. Das geht besser mit nicht entbeinten Schinken, weil die Adern bei denen nicht verletzt werden können. In Wien ist die Fleischerei Thum auf diese spezielle Form der Pökelung spezialisiert, und auch der Schwarzes-Kameel-Schinken wird so gepökelt.
Beinschinken mit Knochen werden meist zuerst geräuchert und dann gekocht, bei entbeinten ist es oft umgekehrt: sie werden mitunter erst gegart und dann erst geräuchert. Das liegt daran, dass entbeinte Schinken entweder in Formen gepresst oder “massiert/gepoltert” werden, damit sie wieder eine kompakte Form bekommen. Die gleich darauf folgende Garung hilft dann, dass das Eiweiß bindet und der Schinken nicht nachher wie ein zerfledderter Klumpen Fleisch aussieht. Beinschinken am Knochen ist daher meist weniger geräuchert, als ausgelöster.
In kleinen Betrieben wie bei den Ringls werden die Schinken im Topf im Wasser gegart, in großen Betrieben kommen meist Dämpf-Räucher-Maschinen zum Einsatz, die beide Schritte erledigen. Ich nehme an, das macht es leichter, das Verfahren genau zu kontrollieren und ein saftigeres und weniger ausgelaugtes Endprodukt zu bekommen.
Manche Beinschinken am Knochen - meiner Meinung nach die Besten - werden gar nicht geräuchert. In Wien ist das zum Beispiel beim Schinken des Schwarzen Kameels der Fall.

Supermarktschinken sind nicht automatisch schlechter als Fleischerschinken
Die Vorstadtfleischer-Schinken - Ringl, Land, Stierschneider - waren alle mit freiem Auge von Supermarktschinken zu unterscheiden: sie haben einen anderen Schnitt, eine andere Konsistenz, einen anderen Glanz. Ich vermute, dass die Optik eventuell nur an den besser geschliffenen industriellen Schneidemaschinen liegt, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Die Konsistenz dürfte daher kommen, dass sie etwas stärker gegart waren als die Supermarktprodukte, was wiederum, siehe oben, eventuell am Kochen statt Dämpfen liegt.
Heißt das, das Fleischerschinken immer besser schmecken? Wie schon bei der Extrawurst nicht unbedingt. Nur der Stierschneider hat es ins Finale geschafft, und das auch nur knapp, und ist dort dann am letzten Platz gelandet. So köstlich der Ringl’sche Schinken warm ist, einmal erkaltet hat er sich im Blindtest gegen andere, größere Produzenten nicht durchgesetzt. Ob das das schönere Einkaufserlebnis in einer kleineren Fleischerei aufwiegt, muss jeder selbst entscheiden.
Discounterschinken können nix
Im Gegensatz zur Sojasauce konnte uns beim Schinken kein einziges Billigprodukt überzeugen, einige waren sogar ziemlich unappetitlich und nicht mit Genuss essbar. Billigschinken haben oft eine gummige, gepresst wirkende Konsistenz und eine unangenehm scharf-salzige Würznote. Manche schmeckten außerdem merkbar nach Kren - ich habe keine Ahnung wieso. Besonders übel waren der Aibler Schinken von Hofer, der Prager Schinken aus der Billa Feinkost, und der Hütthaler Beinschinken aus der Mischpackung. Auch der Zurück zum Ursprung vom Hofer hat leider nicht überzeugt.
Handgeschnittene Edelschinken sind eine Klasse für sich
Schon allein wegen dem Schnitt sind sie sehr anders und schwer mit maschinengeschnittenem Schinken vergleichbar.2 Alle drei - Kröppel, Thum, Kameel - waren deutlich milder gewürzt als die günstigere Ware, und feiner, delikater im Geschmack. Der Supermarktsieger kam geschmacklich an sie heran, aber nicht mit. Mein Osterschinken kommt definitiv aus dieser Kategorie.
And the winners are…
Das maschinengeschnittene Schinkenfinale hieß Berger gegen Radatz. Aus beiden Häusern waren in der Endrunde je zwei Schinken dabei, jeweils einmal frisch aufgeschnitten und einmal abgepackt. Der Stierschneiderschinken ist als bester Fleischerschinken auch noch reingerutscht.
Gewonnen hat, wie schon bei der Extrawurst, der Radatz. Sein frisch aufgeschnittener “kesselfrischer Beinschinken”3 aus der Filiale hat sich durchgesetzt. “Sehr feiner Schinken” haben wir notiert, “guter Biss, feine Konsistenz, mittelsaftig, nicht zu stark, nicht zu schwach gewürzt”. Auf den Rängen folgten der frisch aufgeschnittene Berger Beinschinken aus dem Spar4, dann der abgepackte Radatz, der Stierschneider Schinken, und schließlich der abgepackte Berger Selektionsbeinschinken auf Platz fünf.
Die Unterschiede waren nicht so groß wie bei der Extrawurst, wo Radatz das Feld klar dominiert hat, aber doch merkbar. Wir haben jeden Schinken der Finalgruppe blind richtig erkannt, was nach nur einem Testdurchgang schon erstaunlich ist, und bei fünf Schinken nur sehr unwahrscheinlich zufällig passieren kann.
Bei den handgeschnittenen Edelschinken hat sich das Kameel durchgesetzt, vor Kröppel5 und an dritter Stelle Thum. Die Unterschiede zwischen den dreien sind nicht riesig - Kameel ist am feinsten6, Kröppel am intensivsten - aber schon allein, weil der Thum deutlich mehr kostet als die anderen zwei - 60 vs. um die 40 Euro das Kilo - täte ich eher Kameel oder Kröppel wählen.
Der Severin Corti sagt mir, dass in Triest, seiner Meinung nach das Mekka der Kochschinkenkultur, jeder Diskontsupermarkt in der Früh einen frischen Schinken parat hält. Ich werde das bei nächster Gelegenheit überprüfen.
Vom Thum und Gissinger gibt es auch maschinengeschnittene Ware (vom Kameel konnte ich keine finden). Wir haben sie trotzdem nicht mitverglichen, weil sie a) schwer zu kriegen sind und wir sie nicht hatten und b) der Preisunterschied zu Supermarktschinken so groß ist, dass mir das trotz gleichem Schnitts unfair erscheint.
Achtung: der Radatz “kesselfrische” Schinken in den Radatz-Filialen ist ein anderer als jener, der im Supermarkt fertig aufgeschnitten im SB Regal liegt oder an der Supermarkt-Feinkost frisch aufgeschnitten wird. Beim kesselfrischen Schinken wird der Stelzenknochen nicht entfernt, außerdem wird er vor dem Garen/Räuchern nicht entschwartet. Der Unterschied ist nicht riesig, aber, siehe unseren Test, doch merkbar.
Ja, der hat uns besser geschmeckt als der vom Billa. Wir haben das sogar nochmal nachgekostet.
Ich bin im vergangenen Jahr ein Fan der Fleischerei Kröppel geworden. Neben den Schinken ist auch die Gänseleberpastete hier hervorragend, und bei meinem letzten Besuch habe ich einen frischen gepressten Kalbskopf entdeckt, den ich gleich mitgenommen habe. Jeden Mittwoch gibt’s außerdem “Beinschinkenfleckerl”. Muss ich bei Gelegenheit kosten.
Der Kameel Schinken wird seit drei Generationen von der Fleischerei Gusel eigens für das Kameel gefertigt. Er wird besonders wenig gesalzen, was geht, weil der Schinkenumsatz im Kameel so hoch ist, wie mir der Herr Friese erklärt hat.
Und der frisch aufgrschnittene Gusel Schinken ohne Kamel im Namen? Ich möchte den sehr, ist aber schon lange aus meinem Umfeld verschwunden. Gab's ihn nicht einfach beim Billa?
Wenn ich lese wie gut der Radatz abschneidet tuts mir wieder doppelt leid, dass die Filiale am Naschmarkt zugemacht hat. Nicht freiwillig hieß es. - - - Genau dass ist das Problem am Naschmarkt gegen das nach wie vor nichts unternommen wird.
Danke für den schmackhaften Osterbeitrag!