Der frische Winterbambus ist da
Ich habe Winterbambus das erste Mal in Shaoxing gegessen, in einem jener klassischen chinesischen Beisln, in denen der Küchenkühlschrank mitten im Gastraum steht. Die Gäste könne hingehen und sich aussuchen, was sie gekocht bekommen wollen, was von enormen Vorteil ist, wenn man kein Mandarin spricht. Ich habe vergessen, was wir uns an dem Abend sonst ausgesucht haben - der Bambus aber ist mir nicht nur in Erinnerung geblieben. Ich bin ihm seither ein wenig verfallen.
Das Oxford Companion to Food behauptet, Dosenbambus sei von frischem fast nicht zu unterscheiden. Ich widerspreche dem vehement und behaupte, die zwei haben nur entfernt miteinander zu tun und zwischen ihnen liegen Welten - ungefähr so große, wie zwischen Dosenravioli und frischen, hausgemachten.
Geschmacklich erinnert Winterbambus ein wenig an ganz jungen, milchigen Mais, den man mitsamt Putz und Stängel essen kann: zart bitter, ein wenig süß, und mit einer fantastischen Knackigkeit. Er bring damit eine Ahnung von Sommergeschmack in den Winter, und ist von sich aus so gut, dass er meist nur vorsichtig gewürzt serviert wird.
In Wien ist er nur ganz manchmal zu bekommen, und jetzt gerade ist es wieder soweit: der chinesische Laden bei der Kettenbrückengasse, zwischen Bäckerei Gül und Aming Dim Sum, hat immer wieder ziemlich guten im Angebot. Wer sich schöne Exemplare sichern will: Die neue Lieferung kommt jeweils Donnerstag.
Achtung: Bambus ist ein wenig wie Artischocken, wenn es darum geht, was nach dem Schälen übrig bleibt. Als Beilage für zwei kaufen Sie mindestens zwei Sprossen, und weil er so fantastisch schmeckt, nehmen Sie noch besser drei.
Winterbambus, ganz schlicht gebraten
Zuerst müssen Sie den Bambus schälen: Schneiden Sie den verholzten Boden ab (einfach dort durchschneiden, wo es knackig und nicht mehr holzig wirkt, wie beim Spargel). Dann ziehen Sie dafür die äußeren Blätter eines nach dem anderen ab, bis sie eine Schicht erreichen, die essbar und nicht mehr fasrig-pelzig wirkt. Arbeiten Sie sich so langsam von außen nach innen und unten nach oben fort.
Wenn er komplett geschält ist, schneiden Sie ihn noch senkrecht von der Spitze zum breiten Ende ein wenig zurecht. Nun können Sie ihn in etwa 2mm dicke Ringe schneiden. Große Sproßen am besten vorher noch längs halbieren (und dann also in halbkreise schneiden).
Zahlreiche Rezepte blanchieren Bambus vor dem Braten. Das soll helfen, gewisse toxische Stoffe (Zyanide, wie etwa auch in Marillenkernen) in den Sproßen loszuwerden. Ich glaube, wenn Sie nicht Unmengen und vor allem keinen rohen Bambus essen, ist er auch unvorblanchiert unbedenklich - ich blanchiere ihn nicht und mir ging es nach seinem Genuss nie schlecht - aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Einmal geschält, geschnitten und eventuell blanchiert geht es ganz schnell und einfach. Öl in einer Pfanne ordentlich heiß werden lassen. Bambus darin braten, bis er ein wenig Farbe genommen hat. Von der Hitze nehmen, mit etwas Sojasauce und einem Schuss Sesamöl würzen und erstaunt genießen.
Wem das zu pur ist: Ich habe ihn neulich auch mit ein wenig Kaninchenrücken gebraten. War ebenfalls vorzüglich, und ich bin mir sehr sicher, dass er wunderbar mit den Shrimps von Gastrofisch Brač harmoniert.