Die Wiener haben sich beim Fisch immer schon mehr gen Osten als gen Süden orientiert.1 Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Adria doch lang sehr weit weg war, und als es
dann endlich gekühle Eisenbahnwagons und durchgehenden Schienen gab, war schon wieder Schluss mit den Inlandshäfen.2
Die ungarische Donau hingegen war immer schon nah an Wien, und die war und ist seit Jahrhunderten viel Fischreicher als die österreichische - weil sie in großen Teilen immer noch nicht reguliert ist und ihre Zuflüsse vielleicht doch noch ein Euzerl wärmer sind. Der Neusiedlersee und selbst der Balaton liegen ebenfalls im Einzugsgebiet, und der traditionelle Lieblingsfisch des Österreichers, der Karpfen, kam ohnehin vorwiegend aus bömischen und mährischen Teichen. (Fussnote)
Köstliche, paprizierte Fischsuppe im Norden Bosniens, eine Haláslé im Geiste.
Da verwundert es wenig, dass auch eines der liebsten Fischgerichte der Österreicher aus dem Osten stammt: die Halászlé, die paprizierte, gern als ungarisch bezeichnete Fischsuppe. Ich habe diese Suppe zugegeben lange nicht wirklich ernst genommen, bis ich in Bosnien eine paprizierte Karpfensuppe vorgesetzt bekommen habe. Sie war (gemeinsam mit einem ebendort über offenem Feuer gegrillten Steckerlkarpfen) das kulinarische Highlight dieser Reise: würzig, üppig, aufregend, befriedigend, gut, vor allem mit den sauer eingelegten scharfen Paprika und dem flauschig-süßen Weissbrot, die dazu gereicht wurden.
Halászlé hat, wie so viele Fischsuppen, zwei riesige Vorteile: erstens, sie ist furchtbar einfach. Das ist eine kaum zu überschätzende Qualität, vor allem in einem Land, dass dem Fisch und seiner Zubereitung traditionell so skeptisch gegenübersteht. Auch der unerfahrene (Fisch)koch braucht sie nicht fürchten, sie ist im Gegenteil eine wunderbare Gelegenheit, sich dem Angstgegner Ganzer Fisch zu stellen.
Und zweitens, sie ist irrsinnig vielseitig und kann auf unterschiedlichste Arten interpretiert werden - vom rustikalen, dicken Eintopf, bis hin zu einem eleganten, leichten Gericht. In ihrer einfachsten Variante ist sie eine fast klare Suppe mit nichts außer Fisch, Zwiebel und Paprika, am anderen Ende des Spektrums steht ein Eintopf, der so dick ist, dass der Löffel darin stehen bleibt.
Halászlé heißt laut Wikipedia einfach "Fischersuppe" auf ungarisch. Die Legende erzählt, dass die Suppe einst von den ungarischen Fischern (und sicher auch anderen) direkt am Fluss zubereitet wurde, wenn sie an den Ufern der Donau am Lagerfeuer ihre Pause einlegten.
Wir dürfen annehmen, dass sie alles mögliche hinein gegeben haben, und weil Fischer selten reich sind, wahrscheinlich jene Dinge, die sie zur Genüge hatten und nicht verkaufen konnten. Köpfe, Abschnitte und vor allem kleine, grätenreiche Fische wie Brachse, Rotauge oder Nase, Paprika und Zwiebel als Würze, Brot und Kartoffel, Rogen, Milchner und andere Innereien für die Substanz.
Heute kommen die Halaszle-Bewohner allermeistens aus Teichen oder zumindes Seen. Kleinen Fische sind für den Geschmack der Suppe immer noch eine gute Idee, auch wenn es mittlerweile schwierig geworden ist, sie zu bekommen und sie aufgrund der vielen Gräten eher Würze als Substanz sind. Auch die Fischeier passen wunderbar, wenn Sie, wie ich, sowas mögen.
Ich habe mich für die folgende Halászlé an einem sehr simplen burgenländischen Rezept orientiert und es ein wenig varriert, vor allem, weil ich gerade in Süditalien bin. Erstens habe ich Meeresfisch (Seeteufel) genommen, weil der hier deutlich leichter zu bekommen ist als Karpfen. Zweitens habe ich die Suppe außer mit Chili und Paprika mit wildem Fenchel gewürzt - weil er köstlich ist, hervorragend zu Fisch passt, hier überal wächst, und ich mir denke, dass wilde Kräuter ganz im Sinn der ungarischen Donaufischer sind.
Das nächste Mal werde ich in der Italisierung noch einen Schritt weiter gehen und Nduja statt Paprikapulver verwenden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die Erfinder der Suppe einst Schweineschmalz zum Rösten der Zwiebel verwendet haben, und Schwein passt sowiesoe hervorragend zu üppigen Fischen (etwa Bacalao, den die Kalabrier gern mit Nduja kochen).
Seeteufel Haláslé, deutlisch schlanker als die Verwandte vom Balkan
Den grünen Paprika, der oft hinein kommt, habe ich hingegen weggelassen, weil grüner Paprika meiner Meinung nach nicht für den menschlichen Verzehr geeignet ist.
Halászlé, mehr oder weniger klassisch
Filettieren ist für die Halaszle nicht nötig, ich finde die Fische dafür besser in Koteletts (also quer) geschnitten - besonders gut geht das mit einem großen Brotmesser. Sie haben dann zwar keine ganzen Karkassen aber, die Köpfe und Schwanzflossen reichen für die Suppe. Halten Sie das, wie Sie wollen. Der Karpfen ist ein Klassiker in der Halaszle und geschmacklich fantastisch, essfreundlicher weil grätenärmer sind Zander und Wels.
Verwenden Sie für die Halaszle idealerweise mindestens zwei, noch besser drei oder vier verschiedene Fische - wie bei allen Fischsuppen gilt auch hier: Je mehr verschiedene Tiere in den Sud kommen, desto besser. Ich koche jedes Mal, wenn ich Fisch essen, aus den Resten eine Suppe, friere Reste ein, und benutze sie als Basis für die nächste Suppe - so entsteht mit der Zeit eine ziemlich vielseitige Kraftbrühe. (Weil in meiner aktuellen Suppe bereits Schwertfisch, Merluzzo, Shrimps und Rotbarben geschwommen sind, habe ich mich für die Foto-Suppe auf nur einen Einlagefisch beschränkt. Trotzdem nicht ideal.)
Wenn Sie Ihre Halászlé simpel und schlank halten, braucht sie keine zusätzliche Säure, machen Sie sie dicker, empfehle ich einen Schuss Essig zum abschmecken.
Etwa 2 Kilo Fisch, wenn geht im Ganzen, zum Beispiel Zander und Karpfen und Stöcke vom Wels (der ist etwas groß im Ganzen)
Lorbeerblatt und eventuell wilder Fenchel
Etwa 2 Liter Wasser oder Fischsuppe
Schmalz oder Olivenöl (je nach Geschmack und gewünschter Eleganz
1-2 Zwiebel, fein gewürfelt
1 EL Tomatenmark
Chili nach Geschmack
2-3 TL Paprikapulver
1/4l Weißwein
Rogen (optional)
1 Schuss Essig (optional)
Für die Fischsuppe die Köpfe, Flossen und eventuelle kleine Würzfische zusammen mit dem Lorbeerblatt in eine Topf geben. Mit Wasser oder Fischsuppe bedecken und zum Köcheln bringen. Halb zugedeckt etwa eine Stunde sieden lassen.
Schmalz oder Öl in einem Topf mit dickem Boden erhitzen und die Zwiebel darin langsam glasig werden lassen. Gern ein wenig damit Zeit lassen, damit sie schön weich werden. Chili und Paprika zugeben, kurz mitrösten und mit dem Weißwein ablöschen. Tomatenpaste zugeben und köcheln, bis eine dicke Sauce entsteht.
Mit der Fischsuppe aufgießen und zum Sieden bringen. Wer will und kann, rührt jetzt ausgetreiften Rogen ein und lässt alles noch einmal aufwallen. Nun die Fischstücke einlegen, von der Hitze nehmen und fünf bis zehn Minuten zugedeckt ziehen lassen, je nach Dicke des Fischs.
Mit reichlich Weißbrot und Fenchelsalat oder eingelegten Pfefferoni servieren.
PS: Dieses Rezept ist aus zwei Buchprojekten entstanden: einerseits aus "Wie schmeckt das Burgenland?", aus dem die Vorlage für das Rezept stammt, und in dem einiges über die Fische und Fischer des Neusiedlersees steht; und andererseits aus einem Fischkochbuch, an dem ich gerade mit dem Lukas Nagl arbeite, dem vielleicht besten Fischkoch des Landes.
Ich nehme an, in Westösterreich ist das eine ganz andere Geschichte, einerseits wegen des Bodensees, andererseits wegen des Stockfischs, der schon im Mittelalter über die Alpenpässe gekarrt wurde, aber da kenn ich mich zu wenig aus.
Die Salzkammergut Seen dürften auch eine gewisse, wenn auch untergeordnete Rolle gespielt haben.