Cotolette di Alici, oder süditalienische Sardellenschnitzel
Ich liebe Sardellen1 in allen Formen und Agregatszuständen: frisch und eingedost, knusprig frittiert, gebraten, gedämpft oder in ihrer flüssigen Form als Sauce. Aber, auf die Gefahr, dass man das jetzt auf mein Österreichertum schiebt, behaupte ich trotzdem: an sichersten gut werden sie als Schnitzel.
Klar: Richtig frische Sardellen - idealerweise gerade aus dem Meer gehoben - schmecken am allerbesten roh. In unserem süditalienischen Fischerdorf, das ein wenig berühmt ist für seine Sardellen2, werden sie in der Saison von den Fischern noch auf dem Boot filetiert, mit etwas Zitronensaft und Öl beträufelt und sofort gegessen. Die am Land zurück gebliebenen tun es ihnen gleich und trösten sich über die etwas geringere Frische mit einem Hauch wilden Fenchelgrün hinweg.
Sehr große und dralle Sardellen hingegen schmecken für mich am besten gegrillt, und zwar so heiß, dass sie außen zwar herrlich knusprig, innen aber noch schön saftig bleiben. Die guten, direkt am Strand nach der Landung genoßen, nur mit Salz, Zitrone und ihren bitteren Eingeweiden gewürzt, sind ein animalisch kräftig-fischiger Genuss.
Beides ist bei uns leider schwer nachzumachen. Es verlangt eine Frische, die gerade Sardellen nie haben (sie halten sich nicht gut und verwelken schnell), und die gegrillte Version verlangt außerdem Übung. Das Sardellenschnitzel hingegen ist ein verzeihendes Gericht.
Es ist salzig, knusprig, saftig und überzeugend fischig, ein mürber, warmer Cracker mit Sardellengeschmack, sowas wie der Kartoffelchip des Meeres (meine kleine Tochter isst sie entsprechend mit fast der gleichen Begeistertung wie die klassische Knollenchipsvariante.) Garpunkt, Größe, Entfernung von Fangort und -Zeitpunkt - das alles kümmert den Schnitzelkoch wenig. Selbst Fische, die bereits mit aufgehenden Bäuchen liegen, ein klares Zeichen fortgeschrittener Reife, werden paniert und im Fett gebacken noch ziemlich gut.
In Süditalien heißen Sardellenschnitzel “Cotolette di Alici” und gehören zur Standardausstattung vieler Beisl-Speisekarten. Meist werden sie als Antipasto gegessen. Sollten Sie in Neapel vorbei kommen: Cap`Alice in der generell superen Via Bausan macht sie ganz hervorragend.
Wer selber ran muss: Mit ein bisserl Übung sind sie ziemlich schnell gemacht. Ich würde sie nicht für sechs Gäste als Hauptspeise servieren wollen, aber für drei Esser ist auch an einem Wochentagabend kein Problem. Achtung: lieber das Küchenfenster öffnen, Tür schließen und/oder den guten Abzug einschalten. Fischfrittiergeruch im Schlafzimmer ist nur was für echte Fans.
Ich kaufe meine Sardellen meist bei Gurkerl, oft aus der “Rette Lebensmittel”-Kategorie (es will sie wohl kaum keiner), aber selbst mit Vollpreis kostet die 250g Packung deutlich unter vier Euro.3 Frische Sardellen gibt es außerdem auf fast jedem Wiener Markt mit balkanesischem oder türkischem Fischtandler (Brunnen-, Meisel- und Hannovermarkt verläslich). Wer gern edler shoppt: Gastrofisch Brac hat sie auch ziemlich regelmäßig. Je fester das Fleisch und je geschlossener der Bauch, desto besser die Fische.
Cotolette di Alici
Gute Vorbereitung ist alles. Das gilt beim Panieren und Frittieren noch viel mehr als bei jeder anderen Form von Kochen.
500g Sardellen oder kleine Sardinen
Salz, fein für’s Mehl und knusprig zum Bestreuen
Mehl
1 Ei
Brösel
Öl, mindestens einen halben Liter
Zitronenschale
Putzen Sie all ihre Fische. Am leichtesten geht das, indem man einfach die Köpfe nach hinten knickt und dann sanft abreißt - meistens kommt gleich der Innereiensack, der am Kopf hängt, mit. Mit dem Daumen den Bauch öffnen (wenn er nicht eh schon von selbst aufgegangen ist), den Fisch aufklappen, das Fleisch auf einer Seite vom Rückgrat lösen und dieses dann herausziehen. Achtung: Die Schwanzfloße sollte idealerweise am Fisch bleiben, sie ist nämlich perfekt, um ihn nachher daran durch’s Ei zu ziehen und wird außerdem wunderbar knusprig.
Den Vorgang für drei Esser ungefähr 20 Mal wiederholen, spätestens beim fünften Fisch geht es fast von selbst. Ideal sind Fische, die vor so zwei, drei Tagen gefangen wurden. Ganz frische sind zu knackig, um sich leicht auslösen zu lassen, zu alte beginnen, breiig zu werden und zu zerfallen.
Heizen Sie das Backrohr auf so 80 Grad vor, zum späteren Warmhalten der Schnitzel. Verschlagen Sie ein Ei und stellen einen Teller mit gesalzenem Mehl und nicht zu knapp Brösel bereit, und einen Teller (oder noch besser, einen Rost) mit etwas Küchenpapier zum Abtropfen der fertigen Fische. Legen Sie Essstäbchen oder Schaumlöffel oder womit sie sonst auch immer gern frittieren neben den Herd.
Panieren Sie die erste Runde Sardellen (auf beiden Seiten ins Mehl drücken, an der Schwanzfloße durchs Ei ziehen, auf beiden Seiten gut in die Brösel tunken), mindestens so viele, wie sie auf einmal frittieren können, und am besten noch ein bisschen mehr.
Erst jetzt geben Sie das Öl in den Topf, mindestens drei, vier Zentimeter tief. Ich verwende gern eine Mischung aus Sonnenblumen- und Olivenöl. Erhitzen Sie es, bis es Schlieren zieht und geben die erste Runde Sardellen hinein - nur so viele, wie dort gemütlich Platz haben. Unter gelegentlichem Topfrütteln frittieren, bis sie auf beiden Seiten goldbraun sind. Das Wenden geht übrigens meiner Meinung nach am leichtesten mit Stäbchen.
Aus dem Öl heben, gut abtropfen lassen, auf einem Rost oder Teller mit Küchenpapier geben und mit grobem Meersalz salzen. Im Backrohr warm halten, während die restlichen Sardellen frittiert werden. Wer will, reibt vor dem Servieren noch etwas Zitronenschale darüber. Ein frischer Salat dazu macht ein Abendessen draus.
Sardine und Sardelle sind mehr kulinarische denn wissenschaftlich exakte Begriffe, und umfassen, je nachdem, wo man ist, eine ganze Reihe von verschiedenen kleinen Fischen - gemein ist ihnen allen, dass sie zur Familie der Heringe gehören, in sehr großen Schwärmen vorkommen, und köstlich sind. Sardellen sind bei uns meist Fische der Art Engraulis encrasicolus und etwas kleiner, europäische Sardinen sind Sardina pilchardus etwas größer.
Die Alici di Menaica werden so ab Ende April, Anfang Mai gefangen, nur von kleinen Booten aus und mit speziellen Netzen, die noch aus der Antike stammen sollen. Die Fische bluten darin noch im Wasser aus, was für einen besonderen Geschmack sorgen soll. Sie werden nicht gekühlt, sondern in der Nacht gefangen, am Morgen gelandet, und möglichst bald roh verspeist. Was nicht gleich gegessen wird, wird ähnlich wie in Cetara eingesalzen und die Säfte als Fischsauce verkauft. Leider sind die verarbeiteten Sardellen ziemlich teuer und nicht sehr gut. Die frischen hingegen sind göttlich.
Disclaimer: ich bin einer der Macher des Gurkerl-Magazins “Schmeck’s”, ich bekomme aber leider keinerlei Prozente vom Sardellen- oder sonstigem Verkauf. Und Pro-Tipp: mir kommt vor, am Donnerstagnachmittag gibt’s immer besonders viele und gute Sachen zu retten.