Der Aal ist ziemlich sicher mein Lieblingsfisch, wahrscheinlich generell, ganz sicher aus dem Süßwasser. Kein anderer kommt an diese verführerische Üppigkeit, diese festfleischig-cremige Konsistenz, diesen charakteristischen Wohlgeschmack heran. In Europa wird er traditionell meist in dicken Saucen geschmort oder geräuchert, dabei braucht er gar nichts außer ein wenig ordentliche Glut. Kurz scharf angegrillt und dann abseits der Hitze etwas gar gezogen ist er umwerfend köstlich: fett, knusprig, richtig geil.
Die Japaner, die größten Aalconnaisseure der Welt, verpassen ihm gern etwas mehr Würze, und machen eines der besten denkbaren Gerichte aus ihm.1 Sie grillen ihn und lackieren ihn dann mit einer süß-salzig-umamigen Sauce. Das Ergebnis wird in speziellen Restaurants serviert, die sonst nichts auf der Karte haben und deren Köche und Einkäufer sich obsessiv mit dem Aal beschäftigen. Ich hatte das Vergnügen, in Tokyo in einem solchen Aalrestaurant zu speisen, das in der achten Generation betrieben wurde. Das dreigänge Mittagessen (Aalsuppe, gegrillte Aalinnereien, gegrillter Aal mit Reis) kam auf um die 400 Euro für zwei und war jeden Cent wert.
Ganz so gut wird Aal bei uns nicht, ein ähnlicher Genuss ist aber auch ohne Japanreise und deutlich günstiger möglich. Österreich ist nämlich (noch) erstaunlich Aalreich - vor allem für ein Land, in dem er eigentlich kaum natürlich vorkommt.
Der Aal pflanzt sich ausschließlich in der karibischen Sargasso See fort. Er wird dort geboren, treibt dann als Larve Richtung europäische Küste, und nistet sich schließlich entweder in brackigen Lagunen ein oder schwimmt Flüsse hinauf. Dort verbringt er sein Leben, bis er geschlechtsreif wird und wieder in die Sargasso See zurück kehrt.2
Aale kommen daher in Europa natürlich nur in Gewässern vor, die mit dem Atlantik verbunden sind. In Österreich ist das nur der Bodensee (per Rhein) und ein sehr kleines Gebiet im nördlichen Waldviertel (per Elbe), in dem es bis heute den Ort mit dem vielsagenden Namen “Aalfang” gibt. Der Rest des Landes entwässert in die Donau und damit ins Schwarze Meer und war daher traditionell aallos.
Spätestens ab den 1960er Jahren wurden allerdings in vielen österreichischen Seen junge Aale in großem Stil ausgesetzt, weil sich die erwachsenen Aale geräuchert gewinnbringend verkaufen ließen. Mittlerweile ist das verboten: erstens, weil der Aal eine stark bedrohte Art ist und daher kaum mehr Jungaale gefangen werden, und zweitens, weil der Aal oft den autochtonen Fischen Konkurrenz macht. Während Aal aus dem Meer oder Atlantikflüssen daher ein zwar großes, aber mit Maß und Ziel zu zelebrierendes Vergnügen ist, ist Aal aus österreichischen Seen aufessen aktiver Umweltschutz.3
Er ist allerdings ein Genuss mit Ablaufdatum: Es kommt zwar gelegentlich noch zu illegalem Besatz, wie Fänge kleiner Jungaale in den Seen zeigen - die Bestände gehen aber deutlich zurück, und irgendwann wird diese Delikatesse wohl fast ganz aus Österreichs Seen verschwunden sein. Bis dahin sollten wir ihn allerdings noch in vollen Zügen genießen.
Fischer, Forscher und Aal-Connaisseuere unterscheiden zwischen Spitz- und Breitkopfaalen. Die Unterschiede in der Kopfform sind zwar wissenschaftlich dokumentiert, woran sie aber liegen ist bis heute unbekannt: manche Forscher vermuten, es sei ein Geschlechtsunterschied, andere glauben, es liegt am Futter. Was auch immer es ist: Spitzkopfaale gelten als geschmacklich besser und fetter als Breitkopfaale.
Das Verhältnis von Kopfform und Geschmack ist nur eines von vielen Rätseln, die der Aal den Menschen aufgibt und aufgegeben hat - der Aal ist nämlich nur eines der köstlichsten, sonder auch faszinierensten Tiere.
Es hat Jahrhunderte gedauert, bis Menschen herausgefunden haben, wo er wirklich geboren wird, und bis heute ist nicht jedes Rätsel um seinen Ursprung geklärt; er wandelt mehrmals in seinem Leben seine Gestallt, und scheint fast endlos alt werden zu können, wenn man ihn von seiner Bestimmung, der Rückkehr in die Sargosa See, abhält (ein Aal in einem schwedischen Brunnen wurde über 100 Jahre alt, bevor irgendwer im Sommer eine Deckel auf den Schacht legte und ihn so unabsichtlich im zu warmen Wasser garte); und er kann mehrere Kilometer über feuchtes Land gehen, wenn seine Wanderung es erfordert. Wer mehr wissen will, dem empfehle ich das sehr supere “Book of Eels”. Das berühmtere “Evangelium der Aale” hat mich irgendwie nicht so gepackt.
Ich war vergangene Woche am Attersee und habe bei meinem Fischer des Vertrauens einen prächtigen Aal bekommen. Wenn Sie so wie ich das Glück haben, einen frischen Aal (oder grünen Aal, wie der Fischer sagt) zu bekommen, bereiten Sie ihn wie folgt zu.
Österreichische Aalquellen:
Frischen Aal gibt es fast nur vor Ort, direkt an den Seen. Theoretisch hat die Fischerie in Wien manchmal welche, praktisch ist mir dort noch keiner begegnet. Meist müssen Sie Fischer vorher anrufen und Bescheid geben, dass sie gerne einen frischen Aal hätten, um ihn vor der Räucherkammer zu retten. Hier zwei, bei denen ich schon Glück hatte.
Im Salzkammergut am Attersee fängt zum Beispiel Daniel Reiter Aale. Seine Reusen liegen in Seewalchen, wo die Ager in den Attersee mündet, und sind vor allem nach Gewittern gut gefüllt. Er hat keine Website oder Geschäft, ist aber unter 0676/9294238 erreichbar. Wenn es keinen Aal gibt, hat er auch oft köstliche Schleien oder Barsche parat.
Am Neusiedlersee habe ich immer wieder Aale bekommen, etwa in der Fischerei Schwarz in Oggau, ich gebe aber zu, ich habe keine Ahnung, wie es derzeit um die Fischerei dort steht. Auch hier gilt: Anrufen und hoffen. Wenn es keinen Aal gibt, ist der Wels (und vor allem seine Leber!) hier meine bevorzugte Köstlichkeit.
Gegrillter Aal, lackiert oder pur
Mir persönlich ist Aal beim selber grillen pur fast am liebsten, ich führe hier aber trotzdem eine japanisch inspirierte Sauce an, weil sie ihm schon auch sehr gut steht. Das Rezept dafür stammt aus dem Fischkochbuch vom Lukas Nagl und mir und ist sehr, sehr einfach.
Der Lukas Nagl löst aus dem Aal übrigens ganz japanisch die Mittelgräte aus, wenn er ihn grillt, faltet ihn auf und spießt ihn dann der Länge nach auf dünne Spieße auf. Das ist elegant und macht ihn einfacher zu essen, ist aber nicht unbedingt nötig. Ich persönlich schätze es, ihn mit den Fingern zu halten und von den Knochen zu nagen so wie Spareribs oder Ochsenschlepp. Sie brauchen:
1 schöner Aal, am besten mindestens ein Kilo schwer
Und wenn Sie wollen, für die Sauce
400ml Mirin
150ml dunkle japanische Sojasauce
60g Kandiszucker
1 Sternanis
Für die Sauce alle Zutaten in einen Topf geben und auf etwa ein zehntel der Menge einkochen, bis sie eine sirupartige Konsistenz hat. Wer keinen Mirin hat, kann auch Sherry oder Reiswein nehmen und etwas mehr Zucker dazu geben. Ich hab sie mal mit abgestandenem Lambrusco gemacht und es war auch sehr gut.
Den Aal entweder entbeinen und in handlange Stücke teilen, oder einfach in etwa daumengroße Segmente teilen. Falls Sie die Sauce verwenden, den Aal alle 5 Milimeter mit einem sehr scharfen Messer einschneiden. Das hilft, dass die Sauce besser eindringen kann und lässt außerdem mehr Fett austreten.
Den Grill für direktes und indirektes Grillen vorbereiten, also die sehr heißen Kohlen nur auf eine Seite legen. Die Aalstücke direkt über der Glut auf beiden Seiten scharf angrillen, bis sie schön Farbe genommen haben und die Haut knusprig ist. Nach dem Wenden gut mit der Sauce einpinseln. Auf die andere Grillseite legen und bei geschlossenem Deckel ziehen lassen, bis das Fleisch gar ist und vom Knochen fällt, etwa zehn bis 15 Minuten. Im Zweifel lieber etwas läner warten - Aal ist wahrscheinlich der einzige Fisch, den sie quasi nicht übergaren können. Falls Sie die Sauce verwenden, währenddessen immer wieder damit bepinseln.
Heiß mit Reis servieren und dem vielleicht größten aller Grillfisch-Vergnügen frönen.
In Japan wird traditionell nicht der europäische Aal Anguilla anguilla verspeist, sondern Anguilla japonica. Inwiefern und ob sich die Arten überhaupt unterscheiden, ist bei Experten umstritten, geschmacklich dürfte es ziemlich egal sein, welchen Sie essen.
Je nachdem, wo er lebt, schmeckt er ein wenig anders. Mir kommt vor, dass Aal aus dem Brackwasser noch einmal etwas besser schmeckt als solche, die im reinen Süßwasser gelebt haben. Ich plane daher für diesen Winter eine Pilgerfahrt in das berühmteste europäische Aalfanggebiet, die Lagune von Comacchio, und hoffe sehr, es klappt.
Es ist eine interessante Frage, ob die erwachsenen Aale theoretisch in den Seen gefangen und dann ins Meer oder einen Atlantik-Fluss gesetzt werden könnten, um sich doch noch fortzupflanzen. Falls ja, habe ich aber nie von einem derartigen Projekt gehört und fürchte, es wird in absehbarer Zeit keines geben.