Bei der Recherche zur Vanille-Kipferlgeschichte habe ich auch die Katharina Seiser um ihre Expertise gebeten - und fand ihre Antwort so schön, dass ich sie hier mit ihrer Erlaubnis noch unserem Test nachreiche. Ich stimme nicht allem zu, aber lehrreich ist es allemal, was sie schreibt. Sie war übrigens bei einem Teil unserer finalen Verkostungen dabei - und so weit liegen wir dann doch nicht auseinander. Frohes Backen!
lieber tobias,
freu mich, dass du mich für eure versuchsanordnung nach meinen vanillekipferln fragst (ich entwickle viele meiner vor allem backrezepte schon seit vielen jahren so, nur sind meine charts handgeschrieben).
es ist ein bissi kompliziert, weil meine keksrezepte eher werkstattcharakter haben, ich habe sie ja - noch - nicht für ein buch gebraucht.
aber: ich habe das vanillekipferl-rezept auf wunsch meines redakteurs vor einigen jahren für die SZ aufgeschrieben (daher bitte puderzucker etc. ignorieren bzw. wieder rückübersetzen ;-)):
https://www.sueddeutsche.de/stil/plaetzchen-rezepte-florentiner-vanillekipferl-1.3788594
die mengen sind (bis aufs salz und die art des vanillezuckers) die von der prato, die technik ist anders. meine reibeisen-butter-technik bei mürbteig mache ich seit 30 jahren so, steht auch in "österreich vegetarisch" (habe meinrad damit "angesteckt"). funktioniert viel besser als alles mit den händen oder "in würfel schneiden" oder so. meine schwiegermama macht den teig (lustigerweise auch immer schon nach der prato) mit zimmerwarmer butter und lässt ihn dann mindestens einen tag im kühlschrank. geht auch sehr gut.
aber: ich mache seither noch bissi was anders, nämlich:
1. verwende ich in den letzten jahren tatsächlich lieber walnüsse als mandeln. also vom aroma ganz eindeutig viel lieber und definitiv oma. nur: richtig gute (bio-)walnüsse zu bekommen ist verdammt schwer. wir hatten in meiner kindheit einen walnussbaum mit hervorragender qualität, ich bin fürchterlich heikel bei nüssen generell, bei walnüssen besonderes, weil es immer schon meine lieblingsnüsse sind. ich habe lustigerweise grad heut abend von einer möglicherweise neuen quelle in oö die info bekommen, dass sie meine 2 kilo ausgelösten morgen wegschicken. wir konferieren dazu seit beinahe einem jahr per mail, sie antworten immer mit einigen wochen abstand. das war so herzerwärmend unbedarft das telefonat, die haben offensichtlich noch nie was mit der post verschickt. und selbst wenn man mal gute (sprich: aromatische, nicht zu gerbstoffreiche, superfrische) bekommt, ist das reiben noch ein problem. denn: zu grob und die kipferl fallen garantiert auseinander, zu fein wird's zu ölig und dann stimmt die konsistenz auch nimmer.
2. mache ich sie schon länger deutlich kleiner, ca. 5-6 g (ja, ich wiege jedes stück teig) pro stück.
3. dadurch könnte die backzeit kürzer sein, aber die habe ich nicht mehr notiert, weil man ja eh beim backen dabei bleiben muss: keinesfalls zu dunkel. sie sollen nur an den spitzerln (und an der unterseite) farbe bekommen.
4. salzmenge nochmal zart erhöht (achtung! du bist hiermit gewarnt!), salzart anders, verwende seit jahren aus gründen, die diesen rahmen sprengen würden, deutsches feines trocken abgebautes steinsalz.
5. vanillezucker tendenziell eher noble 5 %. kaufe schon lange keinen vanillezucker mehr, mache immer selbst.
6. ich glaube, ich habe ihn die letzten jahre nicht so lang rasten lassen, aber ich erinnere mich leider nicht. ich spür genau, wann er die richtige konsistenz zum formen hat. entweder nicht sooo lang kühlen oder wenn er gut durchgekühlt ist, braucht er wieder ein bissl zum temperieren. ganz kalt hast mehr streusel als formbarkeit.
die unverrückbaren eckdaten sind:
KEIN ei/dotter, auf gar keinen fall. erkennst du blind, immer. die mit dotter sind hart. ja, der teig geht mit ei viel leichter zu verarbeiten, aber nein, keine diskussion in sachen textur.
niemals irgendwas anderes als vanille als gewürz. auch kein mazis, kein zitrusabrieb, obwohl ich immer wieder versucht bin, aber dann mache ich eine andere keksform, dann ist es erlaubt ;-)
GENUG salz im teig, die "prise" ist immer zu wenig. (ja, ich habe auch schon vanillekipferl versalzen.)
die form ist reine übungssache: sie sollen in der mitte ein ganz klein bissl dicker, zu den spitzerln hin etwas schlanker werden. aber keinesfalls spitze spitzerln haben, weil die verbrennen. der dickeunterschied von mitte zu spitzerln ist aber wichtig wegen der textur.
der teig ist und bleibt hundig (bröselig, tricky, man muss genau die richtige temperatur erwischen, sonst reißen sie beim formen der kleinen rollen, wirst du eh merken). ich habe tausende gemacht und bei mancher charge fluche ich immer noch.
das zuckern immer heiß (sonst bleibt zu wenig picken), und zwar am besten auf einem tablett mit vanillezucker, dort heiß draufgleiten lassen, dann von oben mit dem sieb.
falls du fragst: du kannst meine (über viele jahre erarbeiteten und erkosteten) erkenntnisse gern teilen, solange du sie als meine ausweist. ich bin bei rezepten eh wie immer altruistisch: je mehr leute was gutes zu essen bekommen, umso besser.