Ich stehe dem Konzept “Wurstsalat” sehr skeptisch gegenüber. Schon der Name ist für mich mehr Satire als Gericht, und die allermeisten Dinge, die als Wurstsalat serviert werden, sind nicht angetan, meine Meinung von ihm zu erhöhen.
Der traurigen Realität steht eine ungebrochene Popularität des Gerichts gegenüber. Wie schon beim Punsch habe ich mich daher gefragt, ob in dem Fall früher vielleicht wirklich einiges besser war - und aus dem Wurstsalat etwas zu machen wäre. Weil der Heinrich S. und ich einen gewissen Extrawurstüberschuss nach unseren Verkostungen hatten, haben wir den Versuch gewagt - und jenes Rezept aus 200 Jahren Wurstsalatgeschichte nachgekocht, dass uns am verlockendsten geklungen hat.
Wie schon öfters in unseren historischen Rezeptrecherchen war es auch diesmal wieder die Wiener Hausfrauenzeitung, die uns überzeugt hat - und zwar mit einer Wurstsalatvariante von 1889. Für die Basis wird darin Extrawurst und Presswurst gemischt und das ganze gut altwienerisch mit Zwiebel, Sardellen und Kapern gewürzt. Für die Marinade darf es neben Essig und Öl auch etwas Estragonsenf sein.
Wir haben das ziemlich eins zu eins nachgekocht, mit dem Unterschied, dass wir kleine statt große Kapern und Dijon statt Estragon verwendet haben und dass die Extrawurst zum Zeitpunkt des Erscheinens der Hausfrauenzeitung wahrscheinlich einer Braunschweiger noch ähnlicher war als der Feinen vom Radatz.
Ich gestehe: das Ergebnis schmeckt tadellos. Es erinnert dank der Sulz in der Konsistenz eher an einen Ochsenmaul- denn einen klassischen Wurstsalat, den ich deutlich lieber habe; die Sardellen drängen sich nicht vor, sondern geben Hintergrund-Würze, die Kapern sind eine willkommene Erfrischung, und der Senf sorgt für cremige Bindung zwischen den Komponenten.
Würde ich immer noch einen Heurigen bekochen, ich würde das definitiv auf die Karte setzen - eventuell noch getoppt mit einem wachsweichen Ei. Und versprochen, das ist das letzte kalte Wurstgericht des heurigen Sommers.
Der “Früher-war-tatsächlich-manches-besser-Wurstsalat” für Zwei
20 dag Kalbspariser oder Extrawurst, meiner Meinung nach am besten vom Radatz
20 dag Presswurst
4 Sardellenfilets (nicht die ganz guten, aber auch keine grauslichen)
1 halbe rote oder weiße Zwiebel
1 EL Salzkapern, etwas entsalzt
Olivenöl, Rotweinessig, Dijonsenf
Frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Kalbspariser und Presswurst feinnudelig schneiden. Sardellen und Zwiebel hacken und gemeinsam mit den Kapern untermischen. Aus Öl, Essig, Pfeffer und Senf eine Marinade rühren und über den “Salat” gießen. Mit Salzstangerl oder Semmerl servieren.
I don't know how you made sausage salad sound good, but you did 👏🏽