Zeit für mexikanisches Katerfrühstück
Die Tomatillos sind reif, die Salsa Verde und Chilaquiles Zeit hat begonnen
Chilaquiles sind ein bisschen so etwas wie die mexikanische Variante von Cornflakes oder der Ur-Form des Müslis: Ein Frühstück aus Vortags-Brotresten mit Sauce, bloß dass hier nicht Getreide und Milch, sondern eben Mais-Tortillas und Salsa Verde zum Einsatz kommen. Altbackene Tortillas - frittierte Maisfladen - werden klein geschnitten, frittiert und dann in Salsa geköchelt und getränkt, bis sie eine seltsam wohlige Konsistenz-Mischung aus lätschert und knusprig erreichen. Oben drüber kommen Spiegelei, bröckelig-salziger Käse, Sauerrahm, Koriander und je nach Lust und Vormittags-Terminen etwas roher Zwiebel.
Wenn alles gut geht, können Chilaquiles der Reichtum mexikanischer Geschmackswelten in einer Schüssel sein: scharf und sauer, krautig und käsig, frisch und fett, üppig und leicht, ein an Reiz-Reigen, der ziemlich viele Wünsche auf einmal erfüllt. Die Vielseitigkeit samt leichter Geschmacks-Aggression mag der Grund sein, dass Chilaquiles als ganz hervorragend aufweckendes Katerfrühstück gelten.
Dieser Text ist schon einmal so ähnlich vor ein paar Jahren im Standard erschienen, zur Feier der Tomatillo-Saison poste ich ihn hier nochmals.
Das Gericht steht und fällt mit einer guten Salsa. In jeder Ecke Mexikos werden sie ein wenig anders serviert. Mir am liebsten ist Chilaquiles Verdes, die Variante mit klassischer Salsa Verde, einer komplexen, sauer-scharfen Sauce aus Tomatillos undidealerweise Jalapenos. Tomatillos werden in Südamerika schon länger kultiviert als ihre Namens-Vettern, die Tomaten. Sie schmecken fruchtig-sauer, ein wenig wie eine Mischung Physalis und Melanzzani, mit denen sie eng verwandt sind. Jalapenos wiederum sind eine der besten Chili-Arten: Scharf genug, um Spaß zu machen, aber nicht zu scharf, um ihren feinen Paprika-Geschmack komplett zu überdecken.
Chilaquiles sind ganz erstaunlich einfach selbst zu machen und haben ein wunderbares Leistungs-Genuss-Verhältnis. Auch, wenn Sie die Salsa frisch von Grund auf kochen, dauert es keine Stunde, bis das Gericht am Tisch steht. Und wenn die Sauce schon vorbereitet ist, sind Chilaquiles auch komplett verkatert in fünf Minuten zusammen gebastelt.
Die einzige Schwierigkeit sind in Österreich die Zutaten. Weder Tomatillos noch Jalapenos noch gute Tortilla-Chips sind an jeder Ecke zu bekommen. Dabei wachsen sie im europäischen Kllima durchaus gut und reifen im Spätsommer - Ich habe mich daher zuerst einmal ans Gärtnern gemacht - mit mässigem Erfolg. Meine Jalapenos haben sich bei der ersten Verkostung als nicht einmal ansatzweise scharf heraus gestellt und meine Tomatillos dürften einer Bonsai-Art angehören (oder doch saure Physalis sein): sie werden nicht größer als mittelgroße Kirschen.
Zuerst habe ich schon fast gefürchtet, heuer nicht in den Genuss von hausgemachter Salsa Verde zu kommen: meine sonst verlässliche Tomatillo-Quelle, die Bioschanze, hat heuer aufgrund von wiedrigem Wetter keine geerntet. Umso mehr gefreut habe ich mich, als ich im Maiz hausgemachte, sehr passsable Salsa Verde aus Tomatillos im Glas entdeckt habe. (Falls Sie noch andere Quellen kennen: posten Sie!) Wer partout keine Tomatillos oder frische Salsa Verde findet, dem bleibt immer noch der Griff zur bald inflationär vorhandenen grünen Tomate.
Salsa Verde ist äußerst simpel und besteht bloß aus einer handvoll pürerter Zutaten: Tomatillos (oder grüne Tomaten), Koriander, Zwiebel, Chili und gelegentlich Knoblauch. Die meisten Salsa-Verde-Macher (und meine beiden Hauptquellen) sind sich einig, dass die beste Salsa aus verbrannten Zutaten gemacht wird, das gibt tieferen Geschmack und dezentes Raucharoma. Das klingt meiner Meinung nach grundvernünftig, ich habe die Methode daher übernommen. Weil Tomatillos beim Garen doch ordentlich safteln, ist hier zum ankokeln ausnahmsweise der Ofen besser geeignet als der Grill.
Zu Testzwecken habe ich drei Salsas gemacht: einmal aus nur verkohltem und dann pürierte Gemüse; einmal aus Gemüse, dass erst verkohlt, dann püriert und schließlich in Öl heiß angebraten wird; und einmal mit grünen Tomaten statt mit Tomatillos. Zum Vergleich wurde auch noch eine hier gekaufte Fertig-Variante verkostet - leider ein billiger Abklatsch.
Das Ergebnis: Anbrennen, braten und pürieren bringt den tiefsten, vollsten Geschmack, macht aber mehr Arbeit. Nur Anbrennen und pürieren sorgt für eine frischere Salsa und weniger Dreck und ist daher mein Favorit; Grüne Tomaten sind ok, die Salsa ist farblich am hübschesten, fällt aber geschmacklich ein wenig flach aus; und die Fertigsauce ist sowieso als leicht scharfe, aber sonst recht konventionelle Tomatensauce abgestunken.
Der große Kenji Lopez-Alt empfiehlt, die Tortilla Chips selbst und frisch zu frittieren, weil Fertig-Varianten zu lätschert werden. Ich muss dem widersprechen - frittieren ist nichts, was ich vor meinem (Kater-)Frühstück tun möchte. Meine Tortilla-Chips stammen aus diesen Shop, kosten fünf Euro in der Familienpackung, und sind von durchaus akzeptabler Qualität und hervorragender Knusprigkeit.
Kurz zu den Toppings: Traditionell kommt Qeso Cotija und mexikanische Crema zum Einsatz, handelsüblicher Feta und Sauerrahm sind ein durchaus würdiger Ersatz. Ei und ein wenig frisch gehobelte Zwiebel sollten kein Problem sein. Und vergessen Sie ja nicht auf reichlich frischen Koriander!
Chilaquiles Verdes für Zwei
Befreien Sie die Tomatillos von ihren hübschen Lampingnonartigen Hüllen und waschen Sie in lauwarmem Wasser den klebrigen Film von den Früchten. Legen Sie sie gemeinsam mit den Jalapenos und einigen Frühlingszwiebel in eine Pfanne, gießen Sie etwas geschmacksneutrales Öl dazu und reiben das Gemüse damit ein. Ich habe für etwa zwei Kilo Tomatillos vier entstielte Jalapenos und zwei große geputzte Frühlingszwiebel genommen. Das Ergebnis war auf der schärferen Seite. Drehen Sie den Backrohrgrill auf und verkokeln Sie das Gemüse darunter, bis es ordentlich geschwärzt ist, in meinem Fall waren das etwa 15 Minuten (samt einmaligem Pfannenwenden nach der halben Garzeit).
Befördern Sie das nun recht weiche Gemüse und seinen Saft mit einem Schöpflöffel in einen Häcksler oder ein Pürierstab-freundliches Gefäß. Geben Sie eine Handvoll frischen Koriander samt Stängel dazu, salzen nach Belieben, und pürieren alles, bis es eine recht flüssige Konsistenz hat - fertig ist die Salsa. Sie lässt sich sehr gut vorbereiten und hält im Kühlschrank locker eine Woche.
Jetzt geht alles ganz ganz schnell: Zwei ordentliche Schöpfer Salsa in eine Pfanne geben und zum Köcheln bringen. Währenddessen zwei Spiegeleier braten. Sobald die Salsa blubbert, zwei, drei Händ Tortilla-Chips dazu werfen, gut durchrühren und von der Hitze nehmen. In Schüsseln geben, Ei darauf legen, Feta drüber bröckeln, Sauerrahm drauf klecksen, mit gehacktem Koriander bestreuen und umgehend verzehren.
Dieser Text ist schon einmal so ähnlich vor ein paar Jahren im Standard erschienen, zur Feier der Tomatillo-Saison poste ich ihn hier nochmals.