Oft habe ich beim Fischhändler ein wenig sehnsüchtig auf die prächtigen, mehrere Kilo schweren Fische geschielt, mich dann aber doch brav beschränkt und mich selten weiter als ein, eineinhalb Kilo schwere Goldbrassen oder Seehechte getraut. Weil: Wer soll das essen, oder gar zerlegen? Mit der Zeit habe ich gelernt: das ist ein Fehler. Ich bin ein großer Freund der großen Fische geworden.
Fisch für zwei, drei Tage lang.
Das gilt natürlich nur für Arten, die auch groß werden können - meiner großen Liebe zur Sardine tut das keinen Abbruch. Aber Fische, die gut und gerne mehrere Kilo schwer werden können, sollten das auch tun, bevor sie gefangen und verspeist werden. Goldbrässchen, Seehechtlein oder Karpfenkinder von rund 500g - die sogenannten Portionsfische - halte ich meist für keine optimale Wahl. Je größer der Fisch, desto mehr bekommen Sie nämlich für ihr Geld.
In den vergangenen Wochen habe ich erst einen vier Kilo schweren Zackenbarsch, dann einen drei Kilo schwere Zahnbrasse gekauft, zubereitet und genossen, obwohl wir fast immer nur zu zweit an ihnen gegessen haben. Ich habe es nicht bereut.
Nicht nur das Fleisch zu Karkassen Verhältnis ist bei größeren Fischen günstiger (ein zwei Kilo Fisch hat auch nur einen Schwanz und Kopf): Mir kommt vor, größere und damit ältere Exemplare sind in der Regel fetter und damit geschmacksintensiver als kleine Fische. Selbst die Fischsuppe aus so einer großen Karkasse fällt einfach üppiger aus - sowohl von Menge als auch Geschmack. Sie reicht leicht für zwei oder mehr Risottos, und das Fleisch, dass ich nach dem Suppe Kochen noch von der Karkasse eines vier Kilo schweren Zackenbarschs abgelöst habe, war immer noch genug für einen ausgiebigen Salat.
Viele Teile vom Fisch werden überhaupt erst bei größeren Exemplaren sinnvoll genießbar: die Leber etwa, eine besondere Delikatesse, lohnt bei kleinen Tieren schlicht nicht, genauso wie die Eier oder der Milchner. Die Bauchlappen, auch bei Fischen besonders fette und daher besonders köstliche Teile, sind so ab 3 Kilo groß genug, um separat genossen zu werden.1
Am besten am großen Fisch sind vielleicht der Kopf und die vorderen Flossen samt ihrem Ansatz, sozusagen die Schultern des Fisches: an ihnen sitzt herrlich geschmacksintensives, gelatine- und fettreiches Fleisch. Während sie auch bei kleineren Fischen köstliche Bissen abgeben, wird bei einem größeren Tier eine ganze Mahlzeit daraus.
Wer sich einmal drüber wagt, merkt schnell: Fisch zerlegen ist keine große Kunst, und geht ebenfalls umso leichter, je größer das Tier ist - ein vier Kilo Zackenbarsch erinnert von den Dimensionen schon eher an einen Truthahn denn einen Portionsfisch und ist entsprechend weniger Fitzelarbeit und mehr Fleischhauerei, was mir persönlich entgegenkommt. Und das mit dem Aufessen ist ebenfalls überhaupt kein Problem, wenn es Sie nicht stört, drei Tage lang Fisch zu essen. Ich halte das für einen Vor- und keinen Nachteil.
Zugegeben: am Meer tun Sie sich leichter, große Fische zu kaufen, Aber erstens gibt es auch in Wien immer wieder ausreichend große Meeresfisch, und zweitens gibt es überhaupt keinen Grund, nicht auch aus großen Süßwasserfische zu verkochen. Wer nicht gerade an einem See ist: die Fischerie in Wien hat immer wieder schöne, große Exemplare im Programm.
Achtung: Wie so oft sollten Sie nicht übertreiben. Erstens, weil ab einer gewissen Größe und Alter der Geschmack und die Konsistenz eines Fischs leidet: ein zwei Meter Wels ist eher nicht mehr genießbar. Und zweitens, weil große, alte Fische besonders wertvoll fürs Ökosystem sind, unter anderem, weil sie mehr und gesündere Nachkommen zeugen als kleine - sie sollten also nicht gefangen und verspeist werden. Reden Sie mit Ihrem Fischhändler, welche Größe bei welcher Art ideal ist.
Falls Ihnen ein großer Fisch samt Kopf unterkommt, schlagen Sie zu: am Sonntag gibts im Gruß aus der Küche ein Rezept für Fischkopfcurry.
Man kann natürlich auch kleinere genießen. Der Philipp Rachinger zum Beispiel serviert(e?) im Mühltalhof ganz köstliche gegrillte Bauchlappen von Portionsreinanken als Amuse Geule. Aber erstens brauchen sie da sehr viele Reinanken, damit sich das lohnt, und zweitens ist das ein Fine Dining Restaurant.
Apropos Karkassen. Bin ich der einzige der das abgenagte Gerippe vom Brat- oder geschmorten Hendl nochmals aufsetzt um sich Fonds zu ziehen? ;)