Risotto-Vorwürfe, die Parmesan-Frage und ein paar Lokaltipps
Die interessantesten Kommentare zum Reisfleisch
Die Reisfleisch-Geschichte hat deutlich mehr polarisiert als die anderen bisherigen Teile dieser kleinen Serie, was meinen Verdacht bestätigt, dass Reisfleisch besonders oft der Gegenstand verklärter Kindheitserinnerungen ist. Eine gar nicht so kleine Minderheit wiederum scheint Reisfleischtraumen aus diversen Großküchen davon getragen zu haben. Kurz: Reisfleisch, scheint es, lässt kaum wen kalt.
Ich bin kein Freund von Rezept-Orthodoxie und versuche daher selbst Verständnis für Puten-Reisfleisch aufzubringen, dennoch gibt es zwei objektive Reisfleischwahrheiten, die ich kurz ansprechen möchte.
Erstens, der Risotto-Vorwurf
User Sysiphos schreibt exemplarisch für viele:
Champignons? Sauerrahm?? Parmesan???
Das ist ein gulaschrisotto, kein reisfleisch.
In letzteres gehört maioran und thymian, das ganze ist balkanesisch, nicht italienisch...
Nicht dass das rezept nicht gut schmecken kann, ist aber eher ein crossover von reisfleisch, risotto und gemüsereis ;-)
Das will ich so nicht stehen lassen. Erstens war das Reisfleisch immer schon ein Bastard. Und zweitens ist es ja total OK, sein Reisfleisch trocken zu mögen - ein cremiges Reisfleisch aber deswegen ein Risotto zu nennen, ist schlicht Unsinn, und ärgerlich, weil es hier zu einer Schuldumkehr kommt. Menschen schreien “Themenverfehlung”, die selbst Opfer einer sehr alten und sehr weit verbreiteten Themenverfehlung sind.
Unser feuchtes Reisfleisch entspricht in der Tat dem, was in Österreich oft als Risotto serviert wird. Das kann man mögen oder nicht, das Missverständnis liegt hier aber, sorry, auf österreichischer Seite. Einen guten Risotto kann man nie in einem Haufen servieren, weil er dafür zu flüssig ist. Hier zwei Bilder um das zu veranschaulichen:
Als Geste der Versöhnun hier noch ein salomonischer Tip von User sie:gähn:
Ich verstehe die allgemeine alttestamentarische Strenge nicht, in der hier die Gerichte in entweder Rundkorn oder Langkorn geteilt werden.
Ich mische bei derartigen Gerichten die Reissorten immer, um es weder zu klumpig noch zu trocken zu haben. Aber ich scheine hier weltweit die Einzige zu sein.
Zweitens, die Parmesanfrage
Dieser Punkt hat mich völlig überrascht. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass es Menschen gibt, die Reisfleisch ohne Parmesan machen, aber offenbar sind es gar nicht so wenige - und, noch überraschender, diese Parmesanverweigerer scheinen von der Existenz der Parmesan-Verwendern genauso wenig Ahnung zu haben wie umgekehrt.
Die Literaturlage ist ziemlich eindeutig: in allen alten Wiener/Österreichischen Kochbüchern (Mitte 19. bis frühes 20. Jahrhundert), die wir konsultiert haben, wird Reisfleisch mit Parmesan gekocht, nimmt man die modernen dazu, kommen wir immer noch auf eine Parmesan- bzw. Käse-Quote von fast 80 Prozent. Woher kommt also die Idee, ein Reisfleisch ohne Parmesan sei normal?
Einige Poster haben den Verdacht regionaler Unterschiede geäußert:
User Hitecut:
Unten haben es ja auch schon ein paar andere angemerkt, dass Parmesan schon lange in den Rezepten auftaucht. Gleichzeitig scheint es aber auch eine mehr als große Gruppe zu geben (mich eben inklusive), bei denen das noch nie Bestandteil des Rezepts war. Ich finde das schon sehr interessant. Ich hätte die Verfügbarkeit von Parmesan in Österreich in diesen frühen Zeiten als sehr gering eingestuft. Gar so gering kann es aber offensichtlich nicht gewesen sein. Da fragt man sich ob es eventuell regionale Unterschiede gegeben hat, also dass er zB in Wien durchaus verfügbar war, aber sonst eher weniger. Mein Familienrezept stammt allerdings aus NÖ, also nicht gerade entfernt von Wien.
Bixente Uhudla:
Was mich in meiner Theorie bestätigt, dass es irgendwo in NÖ/OÖ eine Parmesangrenze beim Reisfleisch verläuft...
Ich kenne Reisfleisch aus Wien, dem Burgenland und dem östlichen NÖ immer nur mit Parmesan...
Und nochmal Bixente:
Meine Grossmutter hat ganz klassisch in der Zwischenkriegszeit in Wien als Hausmädchen Kochen gelernt und kannte alle ostöstereichischen Gerichte aus dem Handgelenk und Parmesan war immer bei ihr im Kühlschrank...das war wie Schmalz oder Mehr eine Grundzutat die nicht fehlen durfte-und das im finstersten Burgenland ;-)
Ich versuche hier mal eine kleine Abstimmung unter den Newsletter-Lesern, um zu überprüfen, ob die Parmesan-Gegner vielleicht bloß eine laute Minderheit sind:
Zum Schluss noch ein paar Reisfleischempfehlungen
Ein Lokal ist gleich mehrmals als Pilgerstätte für Reisfleischliebhaber genannt worden, nämlich das Gasthaus Pöschl im ersten Bezirk. Die Gastwirtschaft Heidenkummer im achten Bezirk wurde einmal (sehr) lobend erwähnt, ebenso die Fleischerei Gissinger im 16. (die außerdem 24/7 Reisfleisch zum Mitnehmen aus dem Automaten anbietet.
Auch ein mir bisher unbekanntes Rezept hat gleich mehrere Poster-Shout-Outs erhalten - jenes für Markus Mraz Personal-Essens-Reisfleisch aus Kitchen Impossible. Als Mraz-Fan werd ich das bei Gelegenheit probieren.
also - ich kenne Reisfleisch von meiner Mutter bzw. ihrer Mutter, meiner Omi.....und da beide aus nicht sehr betuchten Häusern stammen (eher Kat. eher arme Leute), gab es bei uns NIE Reisfleisch mit Parmesan. Parmesan gab es bei uns (in den 70igern) erst mit "Pasta asciuta", wie es damals hieß....da gab es bei uns dann erstmals Parmesam. Und Reisfleisch mit Parmesan hab ich erst in den Kantinen kennengelernt, die ich besuchte, als ich anfing zu arbeiten (späte 80iger). ich mags aber immer noch eher ohne - obwohl ich sonst von Parmesan nicht genug kriegen kann.
Reisfleisch gabs in meiner Kindheit bei uns in der Stadt Salzburg etwa alle 2-3 Wochen. Mit Parmesan unvorstellbar! Eher mit einem Essiggurkerl. Parmesan kam in den Haushalt meiner Eltern erst irgendwann Ende der 70er Jahre - gerieben im Plastikpackerl. Die Großmutter aus dem Pinzgau die Kochen gelernt hat und das bis zur Heirat in einem reichen Haushalt gemacht hat, kannte sicher keinen Parmesan. Die Großmutter aus dem Innviertel die später in Bischofshofen ein Lebensmittelgeschäft hatte (bis vor dem 2. Weltkrieg) und deren Kühlschrank ich noch kannte definitiv auch nicht. Schon Reis war absolut selten, es gab wenn ich mich richtig erinnere nur 3 Gerichte damit: Reisfleisch, Milchreis und Reisauflauf. Als Beilage immer nur Kartoffeln.