Ich hätte es mir nicht gedacht, aber der Zeppoline Artikel hat zu interessanten Diskussionen darüber geführt, was gesundes Essen ist. Contrapunkt 36 spricht da ein riesiges Thema an:
Gut, dass hier einmal eine Lanze für das Frittieren gebrochen wird. Ist das doch ein essentieller Bestandteil nicht nur der italienischen, sondern der gesamten mediterranen Küche.
Ein unauflöslicher Widerspruch der österreichischen "Ernährungsberatung" ist eng damit verbunden: einerseits wird Frittiertes (dargestellt in den unsäglichen "Ernährungspyramiden" in Form von Pommes frittes) als der Inbegriff des Ungesunden verdammt, andererseits kommt man nicht umhin, die mediterrane Küche als gesund und nachahmenswert zu bezeichnen.
Die österreichische Ernährungspyramide schaut mittlerweile schon sehr anders aus, als ich ein Kind war. Ich habe für die All You Can Eat Fett Ausgabe vor ein paar Jahren versucht, mir einen Überblick darüber zu verschaffen, wie gesund oder ungesund welches Fett ist. Es gibt einen sehr klaren Konsens, dass gehärtetes Pflanzenfett nicht gut ist, und Olivenöl gesund. Und es scheint recht klar zu sein, dass das Fett, das Menschen essen, bei den allermeisten wenig Einfluss auf den Cholesterinspiegel hat. Der Rest ist ein unübersichtlicher Albtraum an Studien und Gegenstudien.
NGC4261 fasst, denke ich, den aktuellen Stand so zusammen (wobei ich glaube, dass es bei den hoch erhitzten Pflanzenölen wieder viele verschiedene Meinungen gibt):
An sich ist das in deutschen Landen immer noch hochgehaltene "Fett ist böse" schon lange widerlegt. Eigentlich ist es sogar umgekehrt. Die beste Ernährung ist fettreich, was allerdings die Physik über die Kalorienmenge nicht außer Kraft setzt.
Schädlich ist beim Fett vor allem, wenn Öle mit viel mehrfach ungesättigten Fettsäuren hocherhitzt werden (die meisten Pflanzenöle) oder wenn sie viele Transfettsäuren enthalten (hochverarbeitete, gehärtete Fette).
Die mediterrane Küche mit reichlich hochwertigem Olivenöl bei niedrigen Temperaturen gegart ist mit Sicherheit alles andere als schädlich. Man soll aber das Öl nicht schwarzbrutzeln. Aber das spürst eh im Gedärm, dass es dir nicht guttut.
Mein erstes Essen in Neapel war eine frittierte Pizza. Seither finde ich es auch regelmäßig faszinierend, was für eine seltsame Idee nördlich der Alpen davon herrscht, was mediterranes Essen ist.
Die Idee der gesunden “Mediterranean Diet” geht auf die Seven Countries Study zurück, eine große Studie aus den 1950er und 60er Jahren von Ancel Keys 1. Sie war der erste angebliche Beweis für einen Zusammenhang zwischen einem hohen Konsum tierischer Fette und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Studie ist in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder massiv kritisiert worden. Die wesentlichen Punkte fasst dieser faszinierende Artikel2 so zusammen:
Keys was the original big data guy (a contemporary remarked: “Every time you question this man Keys, he says, ‘I’ve got 5,000 cases. How many do you have?’). Despite its monumental stature, however, the Seven Countries Study, which was the basis for a cascade of subsequent papers by its original authors, was a rickety construction. There was no objective basis for the countries chosen by Keys, and it is hard to avoid the conclusion that he picked only those he suspected would support his hypothesis. After all, it is quite something to choose seven nations in Europe and leave out France and what was then West Germany, but then, Keys already knew that the French and Germans had relatively low rates of heart disease, despite living on a diet rich in saturated fats.
The study’s biggest limitation was inherent to its method. Epidemiological research involves the collection of data on people’s behaviour and health, and a search for patterns. Originally developed to study infection, Keys and his successors adapted it to the study of chronic diseases, which, unlike most infections, take decades to develop, and are entangled with hundreds of dietary and lifestyle factors, effectively impossible to separate.
To reliably identify causes, as opposed to correlations, a higher standard of evidence is required: the controlled trial. In its simplest form: recruit a group of subjects, and assign half of them a diet for, say, 15 years. At the end of the trial, assess the health of those in the intervention group, versus the control group. This method is also problematic: it is virtually impossible to closely supervise the diets of large groups of people. But a properly conducted trial is the only way to conclude with any confidence that X is responsible for Y.
Although Keys had shown a correlation between heart disease and saturated fat, he had not excluded the possibility that heart disease was being caused by something else. Years later, the Seven Countries study’s lead Italian researcher, Alessandro Menotti, went back to the data, and found that the food that correlated most closely with deaths from heart disease was not saturated fat, but sugar.
Der Idee, dass eine imaginierte Mittelmeerdiet3 mit geringem tierischen Fettkonsum gesund ist, hat das trotzdem wenig geschadet. Die Geschichte der Fettverteufelung im allgemeinen und der Seven Country Study im Besonderen ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie schwierig es ist, Ernährungsgewohnheiten von Menschen und ihre Folgen zu studieren. Ich finde, diesem Buch ist in Punkto Ernährungsberatung immer noch wenig hinzuzufügen.
Der Rest der Kommentare war praktischer Natur. joseba beloki hat einen großartigen Link gepostet, zu einer Methode, Öl mit Gelatine zu putzen. Muss ich bei Gelegenheit unbedingt probieren:
Was das Öl anbelangt, der Herr Lopez-Alt hat auch dazu was beizusteuern:
https://www.seriouseats.com/clean-c…-technique
Das funktioniert übrigens auch mit Agar-Agar, man muss es im Wasser bloß kurz aufkochen.
Und JCH hat meinen Seegras-Horizont erweitert, indem er das Meeresgemüse in den Zeppoline identifizerit hat :
soviel Klugscheisserei muss sein ;-)
die abgebildete Pflanze ist eindeutig ein Maasalat https://de.wikipedia.org/wiki/Meersalat und kein Seegrass. Seegräser sind keine Algen.
Sonst - ein interessantes Rezept
Ich danke!
Was mich wirklich interessieren täte, ist, ob Essen rund ums Mittelmeer in den 1950er Jahren tatsächlich näher dran war an diesem Fisch-Gemüse-Olivenöl-Ideal. Ich bin mir recht sicher, dass Frittieren damals noch seltener, weil Fett immer noch deutlich teurer war, und Gemüse einen größeren Anteil am Essen ausgemacht hat. Fisch hingegen war immer schon ein Luxusgut, besonders im Landesinneren (das ja zum Beispiel in Spanien schon sehr große ist), aber auch für Leute am Meer, abgesehen von Bacalao, Sardinen und saisonalen Riesenfischen wie Thunfisch und Schwertfisch.
Der ironischerweise in genau die gleiche Falle der Verteufelung einer Zutat tappt.
Italiener würden beim Leben ihrer Mutter schwören, dass es so etwas wie italienische Küche nicht gibt. Vor ein paar Tagen erst haben mir zwei Kalabrier ihr Leid geklagt, die jetzt meist in Bologna leben, und das schreckliche Essen dort nicht aushalten. “Schwein, Rind, oder Schwein und Rind, das ist alles, was sie essen”, haben sie gejammert, während wir ein Schwertfischcarpaccio am Meer nahe Kalabrien genossen haben. Ich kann trotzdem verstehen, dass man von so etwas wie “Mittelmeeressen” spricht, weil allem Regionalstolz zum Trotz gibt es schon Gemeinsamkeiten, die man von außen vielleicht leichter sieht.